Achtung, Erfahrungsbericht aus der Frauendomäne PR: Ich bin Mitte zwanzig, habe eine große Affinität zum Schreiben, bin kreativ und rede gern, sehr gern sogar. In meinem Job habe ich schon so einige spannende Projekte mitbetreut, so zum Beispiel eDarling, eine Dating-Plattform. Erotische Sternzeichen, „Welcher Serien-Typ passt zu dir?“ und so weiter – Das telefonische Pitchen wird zum herzhaften Austausch über Lieblingsangewohnheiten der Ex-Freundin. Freundin? Genau, Freundin. Ich bin ein Mann, ich bin PR-Berater. Was mich von meinen fast 20 Kolleginnen unterscheidet: Mein Geschlecht.
High Fives und meine eigene Heldenreise
Privat kann ich mich vor High Fives und Beglückwünschungen kaum retten. „Tommy, das muss doch der Himmel auf Erden sein?!“, sagt der eine, der andere meinte einmal „Du bist der Held auf deiner eigenen Heldenreise“ – Chapeau, da hat jemand mal etwas von „Storytelling“ gehört. Während meine männlichen Freunde mich zutiefst beneiden, äußern sich meine weiblichen Wegbegleiter eher kritisch: „Zickenterror, garantiert“ oder „Puuh, wie hältst du das aus, Tommy?“, sind da zumeist die ersten Reaktionen. Doch ist es nun gut oder schlecht der Hahn im Korb zu sein? Zugegeben, ich hatte schon immer einen großen Freundeskreis an Freundinnen. Aber tagtäglich mit ihnen zusammenarbeiten?
Von der Männerdomäne IT in die PR-Agentur: Klischees über Klischees
Als ich mich bei Mashup Communications bewarb, war ich in den letzten Zügen meines Wirtschaftsinformatik-Studiums: Die Bestnote gab es für meine Bachelorarbeit und trotzdem sah ich mich nicht als PC-Geek, der neben Deutsch und Englisch auch Java spricht, leichtgewichtige Threads liebt und in der Freizeit zusätzlich gerne objektorientiert programmiert. „Was nun?“ – Diese Frage stand nach meiner Abschlussarbeit vor mir. Nach zahlreichen IT-Praktika war eines sicher: (Vorerst) hat es sich ausprogrammiert. Quereinstieg, ahoi. Aber wohin, kreativ war ich schon immer, aber was fang ich damit an? Schnell bin ich auf die PR gestoßen – Public Relations. Ohne zu wissen, was das eigentlich konkret heißt, habe ich damals meinen Freund Google um Rat gebeten. „PR Agentur Trainee Berlin“, lauteten die Schlüsselwörter zum Quereinstieg. „Mashup Communications“, war Googles Antwort. Webseite rosa-blau, aha. Mitarbeiter durchgängig weiblich, aha. Ein klischeehafter Agenturhund, aha. „Ach, was soll’s!“, dachte ich mir.
Platt aber authentisch: „Lasst mich euer Hahn im Korb sein“
So ungefähr las sich auch meine Bewerbung, die weder über Wochen reifen, noch jemand Korrektur-lesen musste. Mit Duzen und einer gesunden Prise Lockerheit versuchte ich mich authentisch zu zeigen. Sätze wie „Lasst mich euer Hahn im Korb sein“ sollten einerseits meine Motivation für die PR-Welt und Mashup Communications zeigen, andererseits auch beweisen, dass mir ein Hühnerhaufen vollkommen recht wäre. Scheinbar ging meine Taktik auf: Einladung zum Bewerbungsgespräch: Check! Mit eingeschränkten Armen, total lässig und bestimmt saß ich da. Die zweiköpfige Jury mir gegenüber war zugegeben etwas lockerer. Ich erzählte viel über mich, meine Erfahrungen und meine Motivation mal etwas Neues auszuprobieren. Nett war’s, aber auch mehr? Hatten Mashup Communications und ich eine gemeinsame Zukunft? Vielleicht – wenige Tage später wurde ich angerufen, Probetag: Check!
Probetag unter Frauen: Champions League und asiatisches Essen
Wenige Tage später stand der Probetag dann auch schon an. Die Kolleginnen in spe offen, freundlich, lustig, engagiert, hilfsbereit – An der Arbeitsatmosphäre gab es schon einmal nichts auszusetzen. Der Tag gestaltete sich als aufregend: Teaser schreiben, Pressemitteilung verfassen, Redakteure anrufen und für Themen begeistern, die ich erst seit wenigen Momenten auf dem Schirm hatte. Am Mittag wurde es asiatisch und fußballerisch. Champions League war das große Thema und ich überrascht, was hier für Insights preisgegeben wurden. Zugegeben, seitdem ich hier bin – und das ist mittlerweile fast 1,5 Jahre her – ist Fußball stark in den Hintergrund gerückt. Einzig ein Mashie-WM-Tippspiel sorgte für große Emotionen und neben Ruhm warteten auch lukrative Gewinne, wie ein Urlaubstag, ein Trikot und Essens- als auch Buchgutscheine, auf die Ballsport-Experten.
Alles in allem blieb aber an dem Tag wenig Zeit dafür übrig, ein komplett weibliches Arbeitsumfeld schätzen zu lernen. doch wie geht es weiter? Ausgang: offen.
Ein Anruf ins (Frauen-)Glück – Vom Trainee zum PR-Berater
Wenige Tage nach dem Probetag folgte der Anruf: Zusage. Nachdem der Arbeitsvertrag unterzeichnet wurde, öffnete die PR-Welt mir ihre Pforten. Die Ausbildung ging – wie sollte es auch anders sein – durch Höhen und Tiefen, Ergebnis: PR-Berater. Mit der Ausnahme einiger männlicher Praktikanten, war ich in den vergangenen 1,5 Jahren geschlechtlich gesehen allein auf weiter Flur. Zu meiner Überraschung gestaltete sich diese Situation weniger problematisch.
Selbstverständlich gibt es Momente, in denen es spürbar ist, dass ich einem Haufen Frauen ausgesetzt bin. Doch beruflich passt es, man ergänzt sich, seien es thematische, inhaltliche oder konzeptionelle Ansätze. Klar ist ein Mann gegenüber 18 Frauen die Minderheit, aber das spürt man meist nicht. Mit „meist“ meine ich die Mittagspause und den zwischenzeitlichen Small Talk, der dann doch oft in die Richtung Nagellack, Hunde oder Back-Trends geht. Es gibt Klischees, die sich einfach bestätigen. Aber das ist in Ordnung, denn schließlich ist es in einer reinen Männeragentur genau umgekehrt – Fußball, Autos und vermutlich Computerspiele würden das Standard-Gesprächsthema sein.
Ein Erfahrungsbericht und ein Appell
Dennoch: Männliche Unterstützung ist sehr gern gesehen. Liebe Männer, lasst euch von einer CI, wie unserer, und einem Agenturhund nicht abschrecken und viel eher von diesem Erfahrungsbericht inspirieren. Es hat durchaus viele Vorteile in einer Agentur zu arbeiten, wo der Gros an Mitarbeitern weiblich ist. Mann und Frau können sich gegenseitig inspirieren, voneinander die besten Seiten abschauen und selber daran wachsen. Seid mutig und versucht den Schritt, vielleicht zu uns, vielleicht in eine andere Agentur. Und sind wir doch mal ehrlich, als Mann viele Frauen um sich zu haben, hat noch nie geschadet!
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Redaktion
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Backstage, Beratung, Culture