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Oktober 31, 2017

Storytelling Close-Up: Jasmin Shakeris Reise durch die Musikwelt

"Kunst kann keiner festhalten!"

Jasmin Shakeri

Quelle: Anne Wilk

„Storyteller“, das war auf Berlins Schulhöfen zu meinen Zeiten ein Ausdruck für jemanden, der Blödsinn erzählt. Hätte ich Jasmin damals als Storyteller bezeichnet, hätte sie mir wahrscheinlich einen ihrer herrlich schlagfertigen Sprüche gedrückt und mich damit charmant zum Schweigen gebracht. Heute freut sie sich über die Anfrage, ob sie uns mehr über sich als Storytelling-Talent erzählen möchte. Denn das ist sie. Durch und durch. Jasmin Shakeri: Songwriterin, inzwischen auch Schauspielerin und rhetorische Naturgewalt.

Die Charlottenburgerin mit iranischen Wurzeln ist eine Institution im deutschen Musikgeschäft. Sie arbeitete bereits mit allen großen Namen: Andreas Bourani, Peter Maffay, Ben Becker, Joy Denalane, Karel Gott, Howard Carpendale, Matthias Schweighöfer – die Liste liest sich wie das Who is Who der Musikszene. Kürzlich schaffte sie dreifach Platin mit Andreas Bourani für 800.000 verkaufte Alben. Ein Streich, den man in Deutschland nur noch selten schafft. Dass hinter diesen Namen und Zahlen jedoch viel mehr steckt, lassen nicht nur ihre eigenen Texte erkennen, die teilweise bisher nur wenige Ohren hören durften. Ihre Gedanken zeugen von vielen Herausforderungen und einer tiefgreifenden Empathie, die eines der wichtigsten Werkzeuge von guten Storytellern ist.

Von Songwritern und Storytellern – Was macht eine gute Geschichte aus?

Schon immer lag Jasmin die Rolle der Geschichtenerzählerin – sei es, wenn in ihrem Umfeld jemand durch eine Krise ging und sie mit Tanzen, Singen und Witze machen, versuchte, die Situation zu beheben oder später, als sie ihre eigenen Songs schrieb. Die zwischenmenschliche Komponente mache am Ende die Magie aus. Das spüre sie auch bei ihrer Arbeit als Songwriterin. Denn die Berlinerin sieht sich als „eine Art Gefäß, das sich mit Geschichten füllt.“ Dadurch, dass es ihre eigenen Worte sind, sei es eine Form der emotionalen Entladung, auch wenn sie für andere schreibe.

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Weshalb sie nur noch mit Künstlern arbeitet, die ihr menschlich nah gehen. Früher habe sie, um auszutesten, alles gemacht, was ging: alle Genres, mit allen Menschen. Das war allerdings nicht, was sie erfüllte und das perfekte Ergebnis brachte. Gute Geschichten in Form von Songtexten müssen außerdem einfach sein. Jasmin mag es nicht, wenn „komplex getextet wird, nur um komplex zu klingen“. Sie zitiert Grönemeyer, wenn er von „Schatten im Blick, dein Lachen ist gemalt“ oder vom „goldenen Balkon der Unendlichkeit“ singt, dann klinge das zwar komplex, aber bei ihm gehe der reale Bezug nicht verloren. Mit einer Ausstrahlung, die einen sofort in den Bann zieht, führt sie weiter aus: „Ein Songtext sollte kommunizieren wollen und wird hinfällig, wenn er den Dialog verweigert. “ Das Zwischenmenschliche ist es auch, was sich durch jede Antwort von Jasmin zieht und der Schlüssel zu ihrem Erfolg ist.

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Von Monstern und Mentoren – Aus den Tiefen hin zur Katharsis

Bis Jasmin dort angekommen war, wo sie jetzt steht, gab es drei Phasen. Die erste Phase war bereits mit 17 Jahren als Jasmin einen Verlagsdeal bei EMI Publishing erhielt. Damals erkannte Bahar Tozman, die damals für den internationalen Songwriter-Nachwuchs zuständig war, ihr Potenzial und ermutigte sie, ihr Talent zu beweisen. Ein großes Ding für den damaligen Teenager, was sie heute noch sehr bewegt und dankbar macht. „Sie war meine erste Mentorin, weil sie etwas in mir gesehen hat, dran geblieben ist und mich ermutigt hat!“ Ein erster Schritt im Musikbusiness war damit getan. Vor einigen Jahren postete Jasmin ein Foto auf Facebook von faltigen Händen, die aussahen als hätten sie viel erlebt. Dieses Bild war die Visualisierung der zweiten, wichtigen Phase ihrer beruflichen Karriere und gleichzeitig ein Ausdruck des persönlichen Verlusts, den sie erlitt, als ihre Oma starb. Mit den Beathoavenz, dem Berliner Produzentenduo, mit dem sie schon seit den 90ern zusammenarbeitet und befreundet ist, packte sie diese Gefühle in einen Song: „Großmutters Hände“.

Jasmin Shakeri

Jeder, der diesen Text jemals gehört hat, wird ihn nicht mehr los. Er ist pure Emotion und ein vertontes Zeugnis der großen Liebe zu ihrer Oma. Als sie diesen Song schrieb, wurde ihr klar, dass sie fortan nur noch mit Songs auf der Bühne stehen möchte, die diese Authentizität mitbringen. Obwohl sie einen Albumdeal bei Warner Music hatte und die Veröffentlichung kurz bevorstand, entschieden sie sich, die LP nicht rauszubringen. Drei Jahre Arbeit mit den Beathoavenz steckten in dem Album „Perserkatze“.

Es wurde von vielen Leuten aus der Musikbranche erwartet und schon im Vorfeld gehyped. Doch nun musste sich jeder einen anderen Job suchen: Einer des Beathoavenz-Duos arbeitete bei der Post, der andere im MStore und Jasmin faltete Jeans in einem Klamottenladen am Kudamm.

Zwischendurch musste sie sich von Leuten aus der Branche, die sie kannten, anhören: „Was denn? Hat es nicht mit der Musik geklappt?“ Der Studioausbau hatte viel Geld geschluckt, sie standen kurz vor der Insolvenz und das Dreierteam fing durch die finanziellen Lasten an, mit dem Finger aufeinander zu zeigen. „In der Verzweiflung versucht man, einen Schuldigen zu finden, obwohl man weiß, dass man Teil eines Teams ist. Wenn was schiefläuft, dann haben irgendwie alle dazu beigetragen.

Das kann man nicht outsourcen. So gern man will“, erklärt Jasmin den großen Rückschlag von damals. Die Entscheidung zu sagen: „Hey, wir bringen das Album nicht raus, stehen vor dem finanziellen Ruin, aber wir wollen nichts veröffentlichen, hinter dem wir nicht stehen, und damit verbrannte Erde hinterlassen“, war wohl die schwerste, aber rückblickend auch die beste und der Übergang zur dritten Phase.

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Die Belohnung des Schmerzes – Keine Sonne ohne Schatten

Irgendwann entwickelte sich bei Jasmin eine neue Haltung. Sie fragte sich: „Wovor hast du Angst? Was soll schon passieren, du warst doch schon überall. Ich habe gelernt, meine Erwartungshaltung zu minimieren und Hypes gegenüber kritisch zu sein.“ Während einer Jam-Session mit dem Bassisten von Peter Maffay zeigte Jasmin ihm „Großmutters Hände“. Er war so begeistert, dass er es Maffay vorspielte, der zu dieser Zeit gerade einen Co-Autor suchte. Mit ihm kam der erste große Name auf die Referenzliste und ihre Karriere begann sich zu verselbstständigen.

Mittlerweile befindet sich die rhetorische Naturgewalt in der luxuriösen Position, sich aussuchen zu können, mit wem sie arbeitet. Meistens kommen Künstler auf sie zu, die Lust auf Teamarbeit haben, so wie Andreas Bourani. Sie schwärmt: „Er hat Songs wie ‚Auf anderen Wegen’ oder ‚Eisberg’ geschrieben. Er braucht keine Hilfe. Aber er hat manchmal einfach Lust auf eine andere Sichtweise, eine weibliche, meine.“ Dann kommt sie ins Spiel, man trifft und unterhält sich und die Arbeit geht los. Manchmal steht bereits die musikalische Grundlage, dann schreibt sie die Melodie und den Text – mit dem Künstler oder komplett allein. Um an diesem Punkt zu landen, hat Jasmin gekämpft wie eine Löwin. Enttäuschungen und Niederlagen inklusive.

Diese Erfahrungen brachten ihr letztlich Klarheit in Bezug auf die Kernfrage des Künstlers: Braucht es Schmerz, um gut zu sein? Als Beispiel nennt sie John Mayer, der neben dem Gesang auch ein begnadeter Gitarrist ist: „Du kannst nur so Gitarre spielen, wenn es eine Zeit in deinem Leben gab, wo das Instrument dein einziger Freund war.“ Als sie beruflich im Iran war, hat sie Musiker kennengelernt, die Zitar spielen. In Anbetracht dessen, dass sie unter bestimmten Restriktionen leben, ziehen sie sich in ihre Wohnungen zurück und flüchten sich in die Musik. „Einer spielt neun Stunden am Tag. Zuhause. So hat er auch gespielt“, erzählt Jasmin.

Auch habe sie noch keinen Schauspieler getroffen, den sie wirklich schätze, der nicht ein riesiges Paket an Traurigkeit mitbringe. Ist also der Schmerz Auslöser für gutes Storytelling oder ist es ein Teil der Persönlichkeit? Laut Jasmin wird man schmerzfrei, also unbelastet, geboren – wie ein leeres Blatt Papier. Was man verlernen könne, sei der Zugang zu den Emotionen. „Den kann man sich aus Selbstschutz-, Erziehungs- oder sozialen Gründen zutackern. Es ist ein Mechanismus, den man sich antrainiert, den das Leben einem eingetrichtert hat: Mann ist schwach, wenn er weint, Frau hat ihre Tage, wenn sie sich ärgert“, das seien gesellschaftliche Sachen, die dazu führen, die Gefühle zu vermauern. Ungesund sei das. Kein Wunder, dass so viele depressiv und krank seien: „Gefühle brauchen ihren Raum, verdammt.“

Jasmin Shakeri

Quelle: Boris Kralj

Mut zu Gefühlen – Durchlässigkeit für die Kunst

Mut inspiriert Jasmin. „Die Künstler, die ich bewundere, haben es geschafft sich diese Durchlässigkeit bewahren“, sagt sie. Sie findet, dass wir in einer Zeit leben, in der man Angst hat vor Liebe. Weil sie verletzbar macht und jeder glaubt, sich das heutzutage nicht mehr erlauben zu dürfen. Dabei sei es so, wie schon Nelson Mandela sagte: „Courage is not about being fearless. It is about facing the fear!“

Doch sei diese Durchlässigkeit nicht für das eigene Universum wichtig. Am Ende laufe es auf Empathie raus, auf die Fähigkeit, sich in das Leben anderer hinein zu fühlen. Kennt ein Künstler eine bestimmte Situation nicht aus erster Hand oder möchte er eine andere Sichtweise spiegeln, dann muss er sich für die Gefühle anderer durchlässig machen. „So wie Rilke sich in diesen Panther reinfühlen kann, da fragst du dich:

„Warst du selbst ein bis zu 80 km/h schnelles Tier hinter Gittern oder warum kannst du dich in das Gefühl von Einengung so reinversetzen? Wieso spüre ich den körperlichen Verfall des Panthers durch deine Zeilen? Ich habe so etwas Unglaubliches noch nie gelesen.“ 

Aus Erfahrung wird Selbstbestimmung – Idealzustand Freiheit

Jasmin Shakeri

Als Künstlerin und Mensch gehört zu Jasmin ein ausgeprägter Hang zur Selbstreflektion. Da sie ihre Erfahrungen und Gefühle oft durch Songtexte analysiert und damit Revue passieren lässt, lernt sie viel über sich selbst. Es gibt Tage, an denen sie nicht von der Muse geküsst ist. Ist sie im Studio verabredet und merkt, dass da einfach nichts kommt, geht sie raus. Dann spielt sie sechs Stunden Tischtennis, läuft um den Block, geht ein Eis essen oder in den Zoo.

Und wenn es dann trotzdem nicht klappt? „So what? Am Ende des Tages weiß ich, dass ich auf den Füßen lande. Ich kann ja immer noch Jeans zusammenlegen, wenn es finanziell nicht mehr läuft“, sagt Jasmin in selbstbewusstem Ton. Man stresst sich selbst. Das sieht sie auch bei Kollegen, die durch die Gegend hetzen. Und dann fragt sie gern: „Wofür rennst du? Hast du dir einen künstlerischen Beruf ausgesucht, um so gestresst zu sein wie ein Wallstreet Banker?“ Es sei eine Form von Freiheit und der Idealzustand eines Künstlers, wenn die Erkenntnis komme, dass man die Kunst nicht beherrschen kann. Man müsse sie auch nicht behandeln wie etwas Rares, Kostbares, was nie wiederkommt. Würde sie so denken, dann hätte sie nach „Großmutters Hände“ aufgehört. Wie sollte sie ihren Lieblingstext noch steigern?

„Man tut gut daran, darauf zu vertrauen, dass der eigene Geist, das eigene Herz, eine unerschöpfliche Quelle von Geschichten ist. Wenn man lebt, wach, mutig und im Jetzt, versiegt sie nie.“

Jasmin Shakeri ist am 22. und 29. November in einer kleinen Nebenrolle im ARD-Zweiteiler „Brüder“ an der Seite von Edin Hasanovic und Mišel Matičević unter der Regie von Züli Aladag zu sehen. Desweiteren arbeitet sie mit den Beathoavenz in Berlin-Kreuzberg an ihrem Soloalbum und allen weiteren Aufträgen.

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