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Storytelling in Feedbackgesprächen: Mitarbeitende auf der Heldenreise
Campfire – Employer Branding Tools 25. January 2018

Storytelling in Feedbackgesprächen: Mitarbeitende auf der Heldenreise

Das Mitarbeitergespräch mit dem oder der Vorgesetzten hat bei den meisten Unternehmen einen festen Platz im Kalender. Aber bei vielen Arbeitnehmer:innen löst der Termin nicht gerade große Vorfreude aus, da man in erster Linie etwas Bammel vor dem Feedback des Chefs oder der Chefin hat. Oft macht man sich Gedanken über die eigenen Schwächen, wodurch ein negatives Gefühl entsteht. Doch ganz im Gegenteil – ein Jahresgespräch ist für die Vorgesetzten die Gelegenheit, die Mitarbeitenden als Held:innen zu sehen und sie auf ihrer Reise zu begleiten. Statt sie wie in einem Verhör auszufragen und als Vorgesetzte ihren eigenen Fragenkatalog stumpf abzuarbeiten, signalisiert Storytelling in Feedbackgesprächen Wertschätzung und Aufmerksamkeit dem Gegenüber. Dies bedeutet für den oder die Chef:in zuhören zu können, mit dem Ziel, die Motive, Werte, Emotionen und Bedürfnisse der Angestellten zu erkennen, sie zu motivieren und bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Wie kann man aber den Mitarbeitenden auf ihrer Abenteuerreise zur Seite stehen und ihr Potenzial herauskitzeln?

Der Mitarbeiter befindet sich auf seiner persönlichen Heldenreise und hat dazu einen großen Rucksack gepackt
Quelle: rawpixel.com

Mentor:in statt Vorgesetzte: Die Mitarbeitenden auf ihrer Abenteuerreise unterstützen

Joseph Campell untersuchte viele Mythen und Geschichten der Menschheit und fand dabei einen roten Faden – die Heldenreise. Im Zentrum dieser Reise steht natürlich der Held oder die Heldin. Wieso also nicht einfach die Mitarbeitenden auf die spannende Reise schicken? Als diejenigen, der ihrer Komfortzone verlassen, Gegenspieler:innen besiegen, Prüfungen überstehen und einen Schatz oder Lebenselixier finden müssen, um am Ende an ihr Ziel zu gelangen. Die generelle Frage ist, wo die Mitarbeitenden gerade stehen: im Tal, mitten im Aufstieg oder bereits kurz vor dem Gipfel? Und was ist ihr Ziel? Was haben sie bisher geschafft und was müssen sie noch leisten? Die Heldenreise ist der ideale Ausgangspunkt, um als Chef:in bei einem Jahresgespräch die richtigen Fragen zu stellen. Welche „wichtigsten“ Stationen der Heldenreise nach Campbell / Vogler für ein Mitarbeitergespräch-Leitfaden hervorragend anwendbar sind, zeigen die unten genannten Beispiele.

Gewohnte Welt

In klassischen Geschichten: Der Held oder die Heldin wohnen in ihrer vertrauten, „heilen“ Welt und alles läuft routiniert. Sie kennen sich zu Hause aus.

Frage an die Mitarbeitenden: Wo stand der oder die Mitarbeiter:in nach dem letzten Feedbackgespräch: Wie sah seine/ihrer gewohnte Welt und seine/ihre typischen Aufgaben vor einem Jahr aus? Was war seine/ihrer Wohlfühlzone?

Der Ruf

In klassischen Geschichten: Der Held oder die Heldin werden aufgefordert, ihre gewohnte Welt zu verlassen, und gezwungen, etwas zu unternehmen: ein Dorf zu beschützen, das Goldene Vlies zu holen oder sich um ein verlassendes Kind zu kümmern.

Fragen an die Mitarbeitenden: Was hat sich in dem letzten Jahr unerwartet geändert? Welche inneren oder äußeren Stimmen bewegen ihn oder sie, sich beruflich weiterzuentwickeln oder zu verändern? Woher kommt seine/ihre Motivation?

Weigerung

In klassischen Geschichten: Die erste Reaktion der Held:innen ist häufig, dem Ruf nicht zu folgen. Gründe dafür können Angst sein, aber auch das Gefühl, dass sie zu Hause mehr gebraucht werden können.

Fragen an die Mitarbeitenden: Welche Zweifel (von innen oder außen) standen / stehen ihm/ihr im Weg? Was hielt / hält ihn/sie zurück?

Begegnung mit den Mentor:innen

Der Berufsweg wird geplant.
Quelle: rawpixel.com

In klassischen Geschichten: In der Entscheidungsphase trifft der Held oder die Heldin meistens seinen/ihrer Mentor:in, eine:n Lehrer:in oder Freund:in, der ihn oder sie in Form von Ausstattung, Wissen oder auch magischen Gegenständen unterstützt. Aber auch die innere Stimme / Selbstreflexion der Held:innen kann die Rolle der Mentor:innen übernehmen.

Fragen an die Mitarbeitenden: Welche Unterstützer:innen gab / gibt es? Welches Werkzeug benötigt er/sie von den Mentor:innen (Vorgesetzte, Kolleg:innen, etc.), um die Hürden überwinden zu können? Was hat ihn/sie beruflich und auch persönlich weitergebracht?

Überschreiten der ersten Schwelle

In klassischen Geschichten: Der Held oder die Heldin lässt zum ersten Mal die alte, bekannte Welt hinter sich und tritt in eine unbekannte Welt ein, die ihre ganz eigenen Regeln und Gefahren hat. Für die Emanzipation der Protagonist:innen zum Helden oder zur Heldin ist dies der entscheidende Schritt, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und sich somit auch selbst zu verändern.

Fragen an die Mitarbeitenden: Was war der „Point of No Return“? Wie fühlte sich das an? Musste er/sie wichtige Entscheidungen treffen und sich mit den Konsequenzen auseinandersetzen? Welche Folgen hatte diese Entscheidung für seinen/ihren weiteren Berufsweg?

Prüfungen, Verbündete, Feinde

In klassischen Geschichten: Der Held oder die Heldin wird herausgefordert und muss wachsen. Sein/ihr „Ich“ verändert sich. Dabei gewinnt der oder die Reisende Verbündete und macht sich gleichzeitig Feind:innen.

Fragen an die Mitarbeitenden: Welche Hindernisse standen / stehen ihm oder ihr im Wege? Wann und wie hat er/sie die Herausforderung angenommen? Wurden diese Herausforderungen bisher angegangen bzw. gemeistert? Wie wurden sie überwunden? Welche Kolleg:innen konnten helfen? Wie hat er/sie die eigenen Rolle im Team definiert?

Die Belohnung

Die Heldenreise des Mitarbeiters ist von Erfolg gekrönt
Quelle: rawpixel.com

In klassischen Geschichten: Der Held oder die Heldin gewinnt den Schatz – die Königstochter im Märchen, die wahre Freundschaft oder die Selbsterkenntnis. Der neue Lebenssinn ist der eigentliche Schatz.

Fragen an die Mitarbeitenden: Was waren persönliche Erfolgsmomente auf dem Weg?

Rückweg

In klassischen Geschichten: Der Held oder die Heldin kehrt als veränderter Mensch triumphierend in die alte Welt zurück. Noch ist die Reise nicht beendet. Ist das neue „Ich“ stabil? Die gegnerische Kraft ist noch nicht endgültig besiegt.

Fragen an die Mitarbeitenden: Was hat sich seitdem verbessert? Was hat er oder sie in dem Jahr gelernt? Was sind die nächsten Hürden, die er/sie noch überwinden muss, um ans Ziel zu kommen?

Rückkehr mit Elixier

In klassischen Geschichten: Der Held oder die Heldin ist durch das Elixier wieder „ganz“, die alten Wunden sind geheilt. Der Held oder die Heldin lebt und dient anderen so in seiner ursprünglichen Heimat.

Frage an die Mitarbeitenden: Wo steht er/sie heute? Was ist jetzt anders? Welches sind die neuen Aufgaben? Wo hat er/sie sich weiterentwickelt? Worauf ist er/sie besonders stolz? Hat sich die Position im Unternehmen geändert? Was sind seine/ihre Stärken? Welches Fachwissen wurde sich angeeignet? Wie hat er/sie sich durch das Abenteuer verändert? Was möchte er/sie an die anderen Kolleg:innen weitergeben? Ist er/sie bereits Mentor:in gewesen für andere Kolleg:innen? Welche Ziele möchte er/sie im nächsten Jahr erreichen? Wie sähe die neue Welt aus? Wie möchte er/sie sich im nächsten Jahr weiterentwickeln?

Am Gipfel des Berges ist die Freude groß.
Quelle: rawpixel.com

Fazit

Die Heldenreise kann die ideale Methode für ein Feedbackgespräch sein und die Reise für die Mitarbeitenden mit all den Schwächen, Hürden sowie Herausforderungen, die sie auf ihrem Weg haben, positiv darstellen. Der oder die Angestellte versetzt sich in die Rolle des Helden oder der Heldin und kann somit seine/ihre Unsicherheit ablegen, da auf einmal die Schwächen gar nicht mehr ins negative Licht gerückt werden, sondern als wichtige Bestandteile der persönlichen und fachlichen Entwicklung gesehen werden. Zudem schlüpft der oder die Vorgesetzte in die Rolle des Mentors oder der Mentorin. Dies hat eine entscheidende Wirkung auf die Mitarbeitenden: Denn viele sehen es immer noch als ein Zeichen der Schwäche, um nach Feedback, Rat oder gar ganz konkreter Hilfe zu fragen.

Die Heldenreise kann Manager:innen und ihren Teams helfen, diese Einstellungen zu ändern, denn hier kommt die Rollenverteilung von Held:in und Mentor:in ins Spiel. Niemand wird als Verlierer:in degradiert, wenn er oder sie den Rat des Mentors oder der Mentorin in Anspruch nimmt. Ganz im Gegenteil: Dessen/deren Part ist in vielen Fällen unverzichtbar, um die Held:innen zu motivieren, neue Herausforderungen anzutreten. Mit dieser Feedbackkultur sehen Mitarbeitende weniger Hürden, ihre Vorgesetzten oder Kolleg:innen um Rat zu bitten.



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