Die Erfolgsgeschichte von Fielmann ist eng mit der Vision seines Gründers Günther Fielmann verknüpft. Was mit einer persönlichen Überzeugung begann, entwickelte sich zu einer Bewegung. Er revolutionierte die augenoptische Branche in Deutschland, indem er Brillen als modisches und bezahlbares Produkt für alle zugänglich machte. Sein Prinzip war dabei ebenso simpel wie wirkungsvoll: “Berate jeden Kunden so, wie Du selbst beraten werden möchtest” . Aus einem einzelnen Geschäft entstand so eine Marke, die das Verständnis von Augenoptik grundlegend verändert hat.
In den frühen 1970er-Jahren wirkte die Brillenbranche verstaubt, fast schon steril. Optiker trugen weiße Kittel, ihre Geschäfte erinnerten an Apotheken. Hier wollte kaum jemand länger verweilen, um das richtige Gestell zu finden. Viel Auswahl gab es ohnehin nicht, denn der Brillenmarkt in Deutschland war streng reguliert. Die Krankenkassen zahlten nur für ein begrenztes Sortiment, das aus gerade einmal sechs Modellen für Erwachsene und zwei für Kinder bestand. Brillen galten hier als medizinisches Hilfsmittel, das man trug, weil man musste, nicht weil man wollte. Wer persönliche Präferenzen hatte, musste tief in die Tasche greifen, doch das konnten sich nur die wenigsten leisten.
Schon während seiner Ausbildung zum Augenoptiker zeigte Günther Fielmann, dass er anders dachte als viele seiner Kolleg:innen. Für sein Gesellenstück entwarf und fertigte er eine eigene Brillenfassung – handwerklich präzise und gestalterisch mutig. Die Handwerkskammer zeichnete seine Arbeit aus. Sein Ehrgeiz war gepackt und er legte 1965 erfolgreich seine Meisterprüfung ab.
In den folgenden Jahren arbeitete er als Augenoptikermeister in mehreren Betrieben. Dort erlebte er hautnah, wie wenig Spielraum es für individuelle Kundenbedürfnisse gab. Er war selbst Brillenträger und kannte diese Einschränkungen auch aus eigener Erfahrung.
Parallel dazu wechselte er für einige Zeit in die Industrie. Beim US-amerikanischen Unternehmen Bausch & Lomb, dem Hersteller der später Ray-Ban vertrieb, lernte er die Produktion von Brillengläsern und Fassungen im Detail kennen. Dabei kam er zu einer entscheidenden Erkenntnis: Die Preise, die Optiker:innen für Brillen verlangten, standen in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Produktionskosten.
Mit dieser Überzeugung im Gepäck eröffnete Günther Fielmann 1972 in Cuxhaven sein erstes Geschäft, damals unter dem Namen Optic im Centrum. Statt sich an den überhöhten Margen der Konkurrenz zu orientieren, koppelte er seine Verkaufspreise an die Herstellungskosten. So konnte er seine Modelle deutlich günstiger anbieten und eröffnete damit auch Menschen mit kleinerem Budget Zugang zu einer größeren Brillenauswahl.
Darüber hinaus präsentierte Fielmann die Brillen offen im Schaufenster, statt sie wie üblich hinter verschlossenen Schranktüren aufzubewahren. Damit brach er mit alten Branchentraditionen und schuf ein Einkaufserlebnis, das sich erstmals an den Bedürfnissen der Menschen orientierte.
Die Konkurrenz war wenig amüsiert von Günther Fielmanns Geschäftsideen. Sie hielten seine Preisgestaltung für gefährlich und seine offene Präsentation der Modelle für anmaßend. Im Volksmund wurde er bald als „Rächer der Bebrillten“ bezeichnet – eine Mischung aus Spott und Anerkennung. Manche Optiker wollten ihn sogar verklagen.
Doch Fielmann ließ sich davon nicht beirren. Im Gegenteil: Der Widerstand der Branche bestärkte ihn nur darin, konsequent weiterzumachen. Später sagte er selbst:
„Hätten die mich damals in Ruhe gelassen, hätte ich meine sechs, sieben Geschäfte behalten, und das wäre es gewesen.”
Stattdessen wuchs sein Unternehmen. Bis 1980 hatte er bereits 49 Filialen eröffnet. Während viele in der Branche seine Methoden kritisierten, fanden immer mehr Menschen in seinen Läden, was sie bisher vermisst hatten: Auswahl, Stil, faire Preise und das Gefühl, ernst genommen zu werden.
Auch in der Öffentlichkeit wuchs die Unterstützung. Medien begannen, über den „kundenfreundlichen Optiker aus dem Norden“ zu berichten. Die ersten Krankenkassen zeigten Interesse an Kooperationen. Fielmann war längst kein Außenseiter mehr, sondern auf dem besten Weg, die Spielregeln zu verändern.
1981 kann als entscheidender Punkt in Fielmanns Heldenreise gekennzeichnet werden.
In der kleinen ostfriesischen Stadt Esens schloss Günther Fielmann einen Sondervertrag mit der AOK ab. Statt der üblichen sechs Kassenmodelle konnte er den Versicherten nun 90 unterschiedliche Brillenfassungen ohne Zuzahlung anbieten.
Mit diesem Schritt stellte er das gesamte Krankenkassen-System der Augenoptik infrage. Plötzlich bekamen Menschen, die vorher kaum Wahlfreiheit hatten, eine echte Auswahl geboten und mussten dafür keinen Cent extra zahlen. Die Reaktion der Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten: Empörung, Protest, erneute Vorwürfe, Fielmann würde den Wert der Augenoptik untergraben.
Doch die Nachfrage war überwältigend und der Zuspruch der Kund:innen deutlich. Damit war klar: Fielmann schrieb nicht mehr nur seine eigene Geschichte, sondern die der gesamten Branche.
Spätestens mit der Börsennotierung der Fielmann AG im Jahr 1994 wandelte sich der einstige Provokateur zum anerkannten Branchenführer. Über Jahrzehnte führte Günther Fielmann sein Unternehmen mit persönlichem Stil und klarer Handschrift. 2012 trat sein Sohn Marc Fielmann in die Gruppe ein, 2016 wurde er Vorstandsmitglied. Ab 2018 bildeten Vater und Sohn eine Doppelspitze, bis Marc 2019 schließlich allein den Vorstandsvorsitz übernahm.
Heute steht Fielmann für eine Demokratisierung des Sehens. Was früher ein Stigma war, ist längst Mode und Lifestyle. Die Fielmann-Gruppe gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass ihr Konzernumsatz im ersten Halbjahr 2025 um 12 Prozent auf rund 1,18 Milliarden Euro gestiegen ist. Das Unternehmen betreibt über 1.200 Niederlassungen in Europa, beschäftigt mehr als 24.000 Mitarbeitende und ist damit nicht nur Marktführer in Deutschland, sondern auch in mehreren europäischen Ländern präsent. Das Vermächtnis von Günther Fielmann lebt weiter: gutes Sehen für alle – zu fairen Preisen.
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