Planet Storytelling: Russland

Passend zur kalten Jahreszeit führt uns die heutige Reise nach spannenden Geschichten aus Allerwelt nach Russland. Das Land bietet neben mit Schnee bedeckten Landschaften eine bunte Palette an traditionellen Geschichten und Folklore. Geprägt von historischen Ereignissen spiegelt das russische Storytelling die persönlichen Schicksale des eigenen Volkes wider und trägt oft einen patriotischen Charakter. Angefangen im Mittelalter über den 2. Weltkrieg bis hin zur Perestroika – wie diese Geschehnisse das Leben der Menschen bestimmten, erfahrt ihr in unserem Beitrag zum Thema „Planet Storytelling Russland“.

© Pixabay/ Alektra

Die russischen Bylinen – die beste Geschichte überlebt

Das 11. Jahrhundert war die Geburtsstunde des russischen Storytellings – auch Bylinen genannt, die mündlich über Generationen weitergegeben wurden. Der Begriff trägt die Bedeutung Sage oder Heldengedicht. Der russische Ausdruck beinhaltet den Wortstamm „byl“, der sich als „wahre Geschichte“ übersetzen lässt. Bylinen haben immer einen historischen Hintergrund und greifen bedeutende Ereignisse auf. Wie jede gute Geschichte, die über Jahrhunderte ihren Bestand hält, wurden Bylinen über die Zeit perfektioniert und ausgeschmückt. Sie sind somit ein kollektives Werk. Bylinen erzählen über siegreiche Kämpfe gegen Tataren und verehren die russischen Krieger als nationale Beschützer. Gleichzeitig neigt das russische Storytelling zur Übertreibung und verbindet geschichtliche Fakten mit ausgedachten märchenhaften Aspekten. So sind die berühmten Bylinen-Helden wie Ilja Muromez oder Dobrynya Nikitich zwar fiktive Charaktere, vereinen aber Eigenschaften und Heldentaten der Krieger aus der damaligen Zeit in sich. Auch Feinde wurden unter anderem dämonisiert und beispielsweise als gefährliche Drachen dargestellt.

Die russischen Sagen wurde von Menschen verbreitet, die dabei von Dorf zu Dorf gewandert sind.  Sie haben den Beruf des Geschichtenerzählers ausgeübt. Ihre Tätigkeit bestand darin, Bylinen in Gesangsform frei vorzutragen und sie dabei mit der Gusli, einem traditionellen Musikinstrument, zu begleiten. Als im 18. und 19. Jahrhundert Bylinen schriftlich dokumentiert wurden, starb die Tätigkeit des Geschichtenerzählers aus.

Auf den Spuren der „russischen Seele“

Der Einfluss von Bylinen und altrussischen Sagen reicht bis in die moderne Literatur. So prägten sie auch die späteren Werke von Alexander Puschkin, dem wohl größten Dichter Russlands. Als kleiner Junge lauschte er den Erzählungen seines Kindermädchens und fand dadurch die Inspiration für seine Schöpfungen wie „Ruslan und Ljudmila“, „Das Märchen vom Zaren Saltan“ oder „Das Märchen vom Fischer und dem Fischlein“. Diese Märchen begeistern die Kinder bis heute. Obwohl Puschkin selbst adeliger Abstammung war, beschäftigten sich seine Geschichten auch mit dem Leben des einfachen Volkes. Beeinflusst von dem Zeitgeist der französischen Revolution, strebte er nach Gleichheit und Freiheit für alle.

Außerdem war Puschkin der erste Dichter, der die berühmte Redewendung „russische Seele“ einführte. Dieser Ausdruck trägt einen patriotischen Charakter und wurde von Schriftstellern wie Nikolai Gogol, Leo Tolstoi oder Fyodor Dostoyevsky ebenfalls aufgegriffen. Er steht für positiven Eigenschaften wie Mut, Großzügigkeit, Warmherzigkeit sowie Gastfreundschaft und bezieht sich auf die Einzigartigkeit der russischen Identität. In traditionellen Märchen referieren vor allem böse Mächte wie Hexen oder Geister mit dem Ausdruck „russische Seele“ auf das Gute bzw. den Helden.

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Das russische Storytelling heute: Das Volk bleibt der Geschichtenheld

In unserem Beitrag „Planet Storytelling Russland“ greifen wir eine aktuelle russische Kampagne auf, um zu zeigen, wie sich das Storytelling über die Jahre gewandelt hat. Bis heute sind Elemente wie Patriotismus, Bedeutsamkeit der historischen Ereignisse oder das Volk als Held in Russlands Storytelling wiederzufinden. So startete der russische Mobilfunkanbieter Megafon zusammen mit der Moskauer Werbeagentur Axis zum Zeitpunkt der Olympischen Winterspiele die PR-Kampagne „MegaFaces“ und setzte diese Elemente erneut ein.

Die Idee der Kampagne war simpel und genial zu gleich: Riesige 3D-Selfies, die die russischen Bürger als Teil der Olympischen Spiele darstellten. Zu diesem Zweck wurde im Olympiapark ein Pavillon mit einem 150 Quadratmeter großen Bildschirm errichtet, der aus 11.000 Teleskopkolben bestand. Diese ließen sich elektronisch steuern und dabei bis um zwei Meter verschieben. Auf diese Weise konnte die Fläche eine Gesichtsform annehmen. Zuvor durfte sich jeder, der Lust hatte, im Pavillon fotografieren lassen. Anschließend waren die Selfies auf einem riesigen Bildschirm in 3D-Form zu bewundern. Die Fotoautomaten wurden in 30 Städten Russlands aufgestellt, sodass möglichst viele Freiwillige teilnehmen konnten. Während der Spiele erschienen 140.000 Gesichter der Fans, die so selbst zu Helden gemacht wurden.

Der Slogan der Kampagne lautete „create your own olympic history“ und machte es jedem möglich, sich zu verewigen. Die russischen Bürger wurden dabei in den Mittelpunkt gestellt. Auf diese Weise wurde das Event zu einem persönlichen Erlebnis und erzeugte positive Emotionen. Die Kampagne diente unter anderem auch dazu, das Land nach außen als hochmodern sowie weltoffen zu zeigen. Sie gewann als erstes russisches Projekt den Grand Prix in der Kategorie „Innovation“.

Wenn ihr unseren Beitrag „Planet Storytelling Russland“ spannend fandet, schaut euch gerne die letzte Ausgabe unserer Reihe über Japan – das Land der aufgehenden Sonne. Erfahrt hier über die Besonderheiten des traditionellen Papiertheaters Kamishibai und Rakugo, der Kunst des pointierten Geschichtenerzählens.

Redaktion

Unser Redaktionsteam nimmt uns mit auf eine Erkundungsreise durch die Welt des Brand Storytelling und durch unseren Agenturalltag. Es appelliert an unsere Vorstellungskraft und verzaubert uns mit Zukunftsmusik. Zudem macht es sich stark für faire Themen mit Haltung.

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