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5 Storytelling-Regeln für Pharma und Healthcare, Teil 1

Die letzten Monate, ja fast zwei Jahre, haben uns gezeigt, wie wichtig die richtige Kommunikation im Gesundheitsbereich ist. Hat die Pharma-Branche doch immer wieder mit Kritik und Unverständnis zu kämpfen. Wie Geschichten einen Beitrag leisten können, um Vorurteile abzubauen und komplexe Themen verständlich darzustellen, zeige ich euch in unserer neuen Storytelling-Serie mit den folgenden fünf Regeln für den Pharma- und Healthcare-Bereich.

Warum benötigen wir eigentlich Storytelling für Gesundheits- und Medizinthemen?

Die Antwort darauf und somit erste Regel für Storytelling in der Pharma-Branche lautet: um den Fluch des Wissens zu überwinden.

Erste Regel für Pharma-Storytelling: Den Fluch des Wissens überwinden

Was findet ihr verständlicher?

„Auf eine Bleistiftspitze passen 10 Billionen Atome.“

vs.

„Wenn ein Atom ein Basketball wäre, dann wäre der Bleistift, auf dessen Spitze sich das Atom befände, so groß, dass er von der Erde bis zum Mond reicht.“

Dieses Beispiel stammt aus dem Kinderbuch „Professor Astrokatz – Physik ohne Grenzen“, in welchem die spannenden Fragen über Naturgesetze anschaulich und vergnüglich erklärt werden. Genauso anwendbar auch im Gesundheitsbereich. Statt komplizierter Fachbegriffe im Medizinjargon und auf ewig langen Beipackzetteln können Daten nämlich – gut verpackt – auch verständlich sein.

Dass dies durchaus möglich ist, zeigen die Illustrationen von Janny Li im Rahmen einer Semesterarbeit für die Medikamente von Rite Aid. Für die größte Apothekenkette der USA hat die Studentin Verpackungen für Schmerztabletten entworfen, die zugleich simpel, ästhetisch und bildhaft sind. Im Zentrum stehen die betroffenen Organe. Diese sind so gezeichnet, dass dank leuchtender Töne aus Rot und Rosa der Schmerz förmlich spürbar ist. Der Rest der Packung bleibt schlicht und medizinisch weiß und hat für die nötigen schnörkellosen Informationen Platz.

Wie schafft man es nun aber, seine Botschaften in die Köpfe des Publikums zu transportieren?

Ich habe dazu ein tolles Beispiel in dem Buch „TED Talks – Die Kunst der öffentlichen Rede“ von Chris Anderson gefunden, welches ich zum besseren Verständnis auch gern in Vorträgen oder Workshops einsetze. Denn er sagt, um das zu bewerkstelligen, verfügen wir Menschen über eine ganz besondere Technik, nämlich die Sprache. Damit leistet unser Gehirn Unglaubliches.

Hier bitte ich mein Publikum noch zusätzlich die Augen zu schließen, um sich alles besser vorstellen zu können. Und dann beschreibe ich dann folgendes Szenario:

„Stelle dir bitte jetzt einen Elefanten vor. Sein Rüssel ist knallrot bemalt und er schwingt im Takt zu den langsamen Schritten eines orangefarbenen Papageis. Dieser tanzt auf dem Kopf des Elefanten und krächzt immer wieder: „Tanz den Fandango“.

Nun hat sich das Publikum – und ihr jetzt hoffentlich auch – alles in seinem Gehirn ausgemalt, obwohl es so etwas gar nicht gibt. Wie ist das möglich? Die Lösung lautet: Alle kennen die „Zutaten“, also den Elefanten, die Farben, alle wissen, was ein Tanz ist. Wenn ich aber stattdessen von der Farbe Pantone 032U und der Spezies Loxodanta gesprochen hätte, würde vermutlich niemand ein Bild im Kopf haben. Das Wunder funktioniert also nur, wenn Sender:in und Empfänger:in die gleiche Sprache sprechen.

Jetzt denkt aber mal an die Visite eines Arztes oder einer Ärztin im Krankenhaus. Da besteht oft keinerlei Verbindung zwischen Kommunikator:in und Rezipient:in. Expert:innen, wie Mediziner:innen oder Forscher:innen, verpacken ihr Wissen nämlich sehr gern in komplizierte Sprache und nehmen gleichzeitig an, dass ihre Zielgruppe, in dem Falle die Patent:innen, sie auch versteht. Das Problem ist aber, dass das Publikum diese Fachbegriffe eben nicht sofort entschlüsseln und somit das Gehörte auch nicht verstehen und sich merken kann. „Was hat der Arzt denn nun gesagt?“, ist eine typische Situation, wenn sich beispielsweise Familienmitglieder bei ihren schon älteren Eltern oder Großeltern über die Diagnose erkundigen und diese kaum darauf antworten können.

Auch hier gibt es ein hilfreiches Buch, auf welches wir schon des Öfteren verwiesen haben. In „Made to Stick“ verweisen die Brüder Chip und Dan Heath immer wieder auf den „Fluch des Wissens“, den wir überlisten müssen, um verstanden, respektiert und erinnert zu werden. Die so genannte SUCCESs-Formel der beiden Brüder schafft Abhilfe gegen den Fluch des Wissens. Sie setzt sich zusammen aus: Simple, Unexpected, Concrete, Credible, Emotional und Story.

Im Folgenden gebe ich euch ein paar Beispiele, wie die Bestandteile der Formel auch für den Pharma- und Healthcare-Bereich anwendbar sind:

Simple – Einfach

In der Pharmabranche geht es nicht nur um sehr sensible und teils private Themen. Viele Inhalte sind für Laien schlichtweg schwer zu verstehen. Storytelling kann also auch eine Chance sein, um komplexe Inhalte für die Zielgruppen verständlich zu machen. Warum immer nur medizinisch und steril über die Wirkweise von Medikamenten sprechen? Stattdessen kann man den Vorteil über simple Geschichten, Vergleiche oder auch Grafiken für Jedermann nachvollziehbar machen.

Oder auch einfach offen darüber sprechen, wie die Kampagne des AOK Bundesverbandes „Deutschland, wir müssen über Gesundheit reden.“ Ob Darmspiegelung oder Prostata-Check – im dazugehörigen Videoclip wird in den vermeintlich unpassendsten Situationen über alles gesprochen, was sonst nur hinter verschlossenen Arzttüren Raum findet.

Unexpected – Unerwartet

Bevor unsere Botschaft überhaupt hängenbleiben kann, müssen wir unserem Publikum erstmal Lust auf das Thema machen. Dafür eignet sich am besten ein interessanter Einstieg.

„Frauen haben keine Gleichbehandlung verdient.“ Das ist der Slogan, mit dem aktuell die Barmer wirbt. Mit diesem Hook ist ihnen in jedem Fall die Aufmerksamkeit sicher. Und das ist auch so gewollt, denn im Folgenden klärt die Krankenkasse darüber auf, dass es in der Medizin sehr wohl wichtig sei, dass Medikamente auch gesondert an Frauen getestet werden. Die Krankheitssymptome können sich bei männlichen und weiblichen Patent:innen grundlegend unterscheiden und auch Therapien müssen dementsprechend geschlechterspezifisch differenziert werden.

Concrete – Konkret

Zudem ist es wichtig, konkrete Beispiele an Stelle vieler Zahlen oder gesichtsloser Statistiken zu nutzen. Besser ist es, Begriffe zu nennen, mit denen unser Gegenüber sofort etwas assoziieren und worauf man aufbauen kann. So machen beispielweise die Geschichten von Betroffenen die Krankheiten greifbarer.

Ein tolles Beispiel dafür sind die „Womb Stories“, eine Kampagne von Bodyform, einer Firma für Periodenprodukte. Das Video zeigt unterschiedliche Erlebnisse von Frauen und ihrem Zyklus, der Erleichterung beim Einsetzen der Periode, dem Schmerz währenddessen, dem Wunsch nach Kindern und der Trauer, wenn es nicht funktioniert.

Das Besondere sind die Erzählungen im Inneren des weiblichen Körpers, die bildhaft die Gefühle der Frauen illustrieren. Beispielsweise wenn der Leib in den Wechseljahren tausend Lagerfeuer entfacht oder das Spermienschiffchen Richtung „I don’t want children“ fährt. Zusätzlich zum Kampagnenfilm kommen auch auf der entsprechenden Landingpage verschiedene Protagonistinnen mit ihren persönlichen Geschichten zu Wort.

Credible – Glaubwürdig

Wenn wir eine Entscheidung herbeiführen möchten, braucht unser Gegenüber Vertrauen in unsere Ausführungen. Es geht also um Glaubwürdigkeit. Ein gutes Negativ-Beispiel dafür ist die katastrophale Außendarstellung von AstraZenica. Was eine einzigartige Erfolgstory hätte werden können, entpuppte sich als ein kommunikatives Desaster.

Dabei war der Pharmakonzern einer der ersten, der einen hochwirksamen Impfstoff gegen das Corona-Virus entwickeln konnte. Früh wurde jedoch in den Medien berichtet, der Impfstoff wäre im Vergleich zu anderen weniger wirksam. Auch wenn dies später relativiert wurde, setzte sich dieses Narrativ in den Köpfen der Menschen fest. Niemand war scharf auf die Impfung „Zweiter Klasse“.

Letztendlich lag der Fehler aber nicht unbedingt in den Schwächen bei der Produktion oder dem Vertrieb, sondern der fehlenden Offenheit und Transparenz des Unternehmens. Die PR-Abteilung versäumte es schlichtweg, Vertrauen bei der Bevölkerung aufzubauen und abzusichern. Statt den CEO mit schlechten Nachrichten nach vorn zu stellen, hätten sie mehr auf verständliche Information und Sichtweisen von unabhängigen Expert:innen setzen müssen, um Glaubwürdigkeit zu erreichen.

Und auch ihr Warum verständlich artikulieren müssen, wie zum Beispiel:

„Unsere Mission ist es, Menschenleben zu retten und nicht Profit aus dem Leid zu schlagen. Deshalb treten wir mit unserem günstigen Produkt gegen die mächtige Pharma-Industrie an.“

Ihre Kernstory „David gegen Goliath“ hätte so garantiert wichtige Sympathiepunkte eingebracht und die Bevölkerung von dem Vakzin überzeugt.

Emotional – Gefühlvoll

Auf emotionaler Ebene geht es um die Menschen und ihr Wohlbefinden. Genau das sollte auch in der Kommunikation mit den Zielgruppen im Vordergrund stehen. Es geht nicht um die Krankheit als solche. Es geht um die Betroffenen, die durch die Therapie mit den richtigen Präparaten geheilt werden. Oder zumindest ein großes Stück Lebensqualität zurückgewinnen. Das wiederum ist nicht nur spannend für die Patient:innen.

Auch in der Arbeit mit Mediziner:innen, die zeitlich sehr eingebunden sind, hilft die Kommunikation über Geschichten. Anstatt reine anonyme Fallstudien, Wirkweisen und Statistiken zu präsentieren, können auch sie mit echten Fällen, Namen und Gesichtern angesprochen werden. Die Vorzüge der Therapie für die eigenen Patient:innen werden so auf einen Blick ersichtlich.

Ein Beispiel für die Betroffenenansprache ist vom Netzwerk Hören. Dieses wurde 2015 als Motor für den Medizin- und Gesundheitstourismus im Saarland gegründet mit dem Ziel, dass neben der medizin-therapeutischen Versorgung auch der Urlaub für hörbeeinträchtigte Menschen und ihre Angehörigen erleichtert werden soll.

Um den Menschen die Angst vor Cochlea-Implantaten zu nehmen, haben wir Interviews mit Betroffenen wie auch Ärzt:innen geführt und deren Geschichten emotional und verständlich aufgeschrieben. So kann sich die Zielgruppe in den Protagonist:innen wiedererkennen und somit ihnen ihre Sorgen bzgl. einer solchen Operation genommen werden.

Story – Geschichte

Selbst wenn die meisten Menschen die Feinheiten im Medizinbereich nicht verstehen, wollen ihre Zuhörer:innen trotzdem in vielen Situationen Zahlen als Belege sehen. Storys wiederum bestehen aus ganz persönlichen Anekdoten und Erfahrungen. Die wirkungsvollsten Erzählungen in unserer heutigen Zeit sind solche, die Daten mit den Perspektiven echter Menschen oder Organisationen kombinieren. Dafür müssen wir nur rausgehen und den Patient:innen, Ärzt:innen und anderen Bezugsgruppen zuhören.

Wir wissen nun, dass die „Story“ eine entscheidende Zutat für eine erfolgreiche datenbasierte Kommunikation im Pharma- und Healthcare-Bereich ist. Doch was heißt das konkret? Das erfahrt ihr in unserem zweiten Teil über Storytelling-Prinzipien.

nora

Nora ist die Komplizin, die genau vor diesen wilden Fahrten nicht zurückscheut und neue Wege mit positiver Energie, mutigem Tatendrang und Siegeswille beschreitet. Nora lässt sich gern von der Aufregung des Moments anstecken; inspiriert, motiviert und unterhält aber auch gern andere.

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