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Mit dem Stockdale-Paradox durch die Krise: motivieren, ohne Märchen zu erzählen
Agenturführung Backstage 28. October 2025

Mit dem Stockdale-Paradox durch die Krise: motivieren, ohne Märchen zu erzählen

Stockdale-Paradox: Boot auf stürmischer See findet Leuchtturm

„Humor & Optimismus – Wir glauben bei jeder neuen Story an ein Happy End“, so einer unserer Grundwerte bei Mashup Communications. Auf der Achterbahn des Unternehmer-Daseins drückt einem jedoch die beschwerliche Auffahrt in den Magen, während man an dem Krisen-Jahrmarkt von Pandemie, Krieg, „KI wird Agenturen ersetzen“-Narrativen und generellem wirtschaftlichem Pessimismus vorbeizieht. Da ist einem nicht immer dazu zumute, jubelnd die Hände in die Luft zu schmeißen.

Tatsächlich kann reiner Optimismus in schwierigen Situationen sogar zum Nachteil werden.

Das Stockdale-Paradox: Warum blinder Optimismus gefährlich sein kann

James Stockdale, ein US-Admiral, überlebte während des Vietnamkriegs mehr als sieben Jahre in Gefangenschaft – unter Folter, Isolation und völliger Ungewissheit. Später berichtete er, dass unter den Kriegsgefangenen nicht die unerschütterlichen Optimisten am längsten durchhielten, sondern gerade sie oft zuerst zerbrachen. Wer sich einredete, „zu Weihnachten bin ich frei“, erlebte immer wieder bittere Enttäuschungen, bis irgendwann die Hoffnung erlosch – das Stockdale-Paradox.

Das Geheimnis des Durchhaltens liege laut Stockdale darin, die brutale Realität schonungslos anzuerkennen – und gleichzeitig den festen Glauben nicht zu verlieren, dass man am Ende siegreich hervorgeht. Diese Balance zwischen Klarheit und Zuversicht mache die eigentliche Stärke aus und zeige, warum blinder Optimismus manchmal schwächer macht als ein nüchterner Blick in die harte Gegenwart.

Also blicken wir einmal stoisch auf einige harte Fakten des letzten halben Jahrzehnts unserer Agenturhistorie:

  • Mitarbeiterzahl auf die Hälfte geschrumpft
  • Bürofläche von 400qm auf 80qm reduziert
  • Umsatz um 25% verringert
  • Gewinn: gerade so

Nicht unbedingt Kennzahlen zum Angeben. Wie ich diese Entwicklungen mit meinem Team kommuniziere? Natürlich mit Storytelling.

Nicht.

Welche Rolle spielt Storytelling in der Krise?

„In Krisen verdichten Geschichten drei Dinge, die das Team braucht: Sinn (warum es uns gibt), Handlungsfähigkeit (was wir jetzt tun) und Halt (woran wir uns orientieren, wenn Fakten sich ändern)“, fasst mir ChatGPT zusammen.

Das Problem dabei ist jedoch: Trotz Mission/Vision-Statements und Werte-Postern habe ich während einer Krise nicht immer Antworten auf diese Fragen. Ich kann nicht immer eine positive Zukunftsgeschichte versprechen.

Aber – und hier kommt wie zu erwarten doch mein Plädoyer für Storytelling – wir können uns in schweren Zeiten auf viele Geschichten besinnen, welche die Resilienz, Anpassungsfähigkeit und Wachsamkeit unserer Agentur bzw. unseres Teams als Protagonist dieser mittlerweile 16-jährigen Heldenreise belegen. Stärken, die wir vielleicht eher in unser Werte-Konzept aufnehmen sollten.

Damit wären wir nicht allein. Dass Organisationen Krisenkommunikation und Resilienz längst nicht mehr dem Zufall überlassen, zeigt auch der Continuity & Resilience Report 2023: Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen haben mittlerweile ein dediziertes Team oder Rollen, die sich strukturiert mit Business Continuity und Resilienz beschäftigen, anstatt nur ad hoc zu reagieren.

Unsere Resilienz-Geschichten

Nachdem unser Steuerbüro uns 2017 das finanzielle Ende prophezeite, konnten wir zwei Jahre später das gesamte Team zum Urlaub in Marrakesch einladen und eine pauschale Gehaltserhöhung für alle feiern.

Während wir vor Corona-Zeiten noch mit unserem Workation-Angebot in einem TV-Beitrag gelobt wurden, genießen unsere Mitarbeitenden mittlerweile Vertrauensarbeitszeit, Vertrauensurlaub, mobiles Arbeiten – Work-Life-Balance galore.

Das und vieles mehr wäre nicht von allein gekommen.

Und ja, die KI-Visionen von Sam Altman & Co. haben der einen oder anderen von uns (mich selbst eingeschlossen) anfänglich mit den Knien schlottern lassen. Aber nach erstem Abwarten haben wir uns aus der Mitte unseres Teams heraus mit Optimismus (da ist er nämlich doch) dem Thema mit voller Leidenschaft angenommen und merken, dass die eigene Arbeit mithilfe von KI einen extra Kick bekommt.

Unter den ständigen Veränderungen ächzend ist es naheliegend, dass man eigentlich alles nur so weiter laufen haben möchte wie immer. Aber das wäre eine ziemlich langweilige Geschichte.

Widerstandskraft durch ehrliche Geschichten

Gute Krisen‑Storys, die dem Stockdale-Paradox widerstehen, versprechen kein Happy End. Sie benennen die brutalen Fakten und zeigen einen glaubwürdigen Pfad nach vorn. Auch wenn wir weiterhin viele Success-Storys erzählen werden, sollten wir unser Unternehmens-Lagerfeuer ebenso als sicheren Raum nutzen, Geschichten von Widerständen und Wachstum zu erzählen, die unseren wahren Charakter zum Vorschein bringen, mit dem wir für jede Krise gewappnet sind.

„Das Stockdale-Paradox lehrt: Optimismus allein genügt nicht. In Krisen braucht es die Balance aus brutalen Fakten und Zuversicht – und Storytelling als Werkzeug für Resilienz, Sinn und Orientierung.“

Miriam Schwellnus, Storytelling-Expertin und Geschäftsführerin der PR-Agentur Mashup Communications

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FAQ: Storytelling und das Stockdale-Paradox in Krisen

Was lehrt das Stockdale-Paradox über Optimismus in Krisen?

Das Stockdale-Paradox zeigt, dass reiner Optimismus nicht genügt. Wer nur auf ein baldiges Happy End hofft, verliert leicht den Mut. Entscheidend ist die Kombination: die Realität anerkennen und zugleich an ein gutes Ende glauben.

Welche Rolle spielt Storytelling in schwierigen Zeiten?

Storytelling ist kein Märchen, sondern ein Werkzeug. Es vermittelt Sinn, schafft Orientierung und stärkt die Handlungsfähigkeit des Teams – gerade wenn äußere Umstände unsicher sind.

Woher kommt echte Widerstandskraft?

Resilienz entsteht nicht aus beschönigten Zukunftsbildern, sondern aus erlebten Geschichten von Anpassung, Durchhalten und Erfolg. Diese Erfahrungen machen Teams krisenfest.

Warum sollten Unternehmen ihre Krisengeschichten bewusst erzählen?

Krisennarrative sind eine Quelle der Stärke. Wenn Unternehmen ihre Widerstands- und Lernmomente sichtbar machen, stärken sie Vertrauen, Zusammenhalt und die Fähigkeit, künftige Herausforderungen zu meistern.



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