Wie kommt man auf solche Sachen? ich bin zwar Marketingchef, ich habe aber den Vorteil: Ich muss selber nicht kreativ sein. Ich kenne kreative Menschen. Es reicht, wenn andere die Ideen haben. Die kommen im Wesentlichen aus unseren Agenturen.
Die Highlights, muss man dann auch ehrlicherweise sagen, von Jung von Matt, saga aus Hamburg. Die machen das großartig. Die haben genau verstanden, wofür diese Kampagne steht. Wir machen aber auch immer wieder mal jenseits dessen ernste Themen. Im März gab es das sogenannte Frauen- Ticket für den Equal Pay Day. Frauen verdienen ja rechnerisch 21% weniger als Männer und da wollten wir einfach mal ein Zeichen setzen und Haltung zeigen. Haltung ist übrigens nicht für mich, wenn man sagt „Ja, ich bin auf dem CSD“ und fährt da jetzt den ersten Truck, wo man das hätte vor 30 Jahren machen können, dann wäre es Haltung gewesen, um zu sagen „ja, ich weiß es gefällt euch nicht, aber dafür stehe ich!“ Wenn alle dafür stehen, ist es keine Haltung. Frauen und Männer gleich zu bezahlen, bedeutet in dem Fall, dass wir Männer diskriminieren, und ihnen den Rabatt nicht geben. Der Aufschrei war enorm, wurde auch heftig diskutiert, aber auch da wieder große Aufmerksamkeit und wir sagen „ne, #weilwirdichlieben zieht klare Kante, eine Position für Frauen“ und die Aufmerksamkeit war gut. Selten zuvor gab es Tagesschau-Berichte in der Hauptnachrichtensendung von drei Minuten über die BVG. Klar kommt man da auch nur als Öffentlicher rein, als Coca-Cola wird man sich da schwer tun, da würden das die Öffentlichen nicht tun.
Kurz um: Wir suchen Dinge, die Aufmerksamkeit erregen, die ein bisschen eckig sind. Dafür bin ich bereit, auch was zu tun, die rechtlichen Grenzen auszutesten wie beim Frauenticket, weil es gibt ein Antidiskriminierungsgesetz und all diese Sachen, wo man sagt „na, wie würde das denn da hinein fallen?“, dann muss man sagen „na ja, gut, also nur für einen Tag.“
Ich bin bereit, auch die tariflichen Regeln auszutesten mit dem Sneaker. Ist das denn ein fälschungssicheres Ticket und wer garantiert mir, dass nicht morgen tausend Schuhe aus der Türkei kommen und dann auch hier rumlaufen? Es muss im Dienst der Sache stehen. Das führt zu Aufmerksamkeit, das tut der BVG gut, das tut den Mitarbeitern gut wie mit der Kampagne. Ja, wir haben weitere Ideen – die darf ich natürlich nicht erzählen.
Miriam: Wir freuen uns schon drauf!
Martell: Ich bin optimistisch, sie werden großartig!
Miriam: Ich glaube, das wichtige, was du gerade gesagt hast, ist vor allem auch das Machen. Ihr hättet ja zum Equal Pay Day auch ein witziges Poster machen können oder ein Video. Aber dieser Schritt, das auch wirklich in ein Produkt zu verwandeln und da auch wirklich eine Möglichkeit zu geben, das im echten Leben anzuwenden, die Haltung, und dann auch zu sagen „dann haben wir auch weniger Umsatz mit diesem speziellen Ticket“ z.B., das ist ja das, was dann auch das nächste Level ist.
Martell: Die Mechanik ist ja klar: Natürlich gebe ich einen Rabatt rein, ich bekomme aber Aufmerksamkeit dafür raus. Ich hätte für das gleiche Geld Plakate schalten können, dann wären das aber relativ wenige gewesen. Ich bekomme aber ein große Menge an Aufmerksamkeit, die unbezahlbar ist und damit ist es rein wirtschaftlich ein Deal.
Solche Themen sind aber dann hier im Haus auch unserer Vorsitzenden, die sich ja sehr für Frauen in Führungspositionen und Frauenrechte einsetzt, ein echtes Anliegen. Da hat man gesagt, das passt einfach zu uns, passt zu unserer Vorsitzenden, es passt auch zur Kampagne. Wir wären blöd, wir würden es nicht machen.
Miriam: Aber ihr habt es gemacht und eben nicht nur drüber gesprochen. Das ist das, was ich noch mal betonen wollte.
Martell: Ja, ich könnte natürlich von ewigen Diskussionen hier im Haus und Reichsbedenkenträgern erzählen. Das ist in der Natur der Sache, dass wir auch manchmal Sachen verwerfen und uns ärgern, dass wir sie nicht gemacht haben, aber wenn wir wirklich daran glauben, dann muss man es auch machen. Das bedeutet ja im Kern Unternehmer sein. Unternehmer sein heißt, nicht Risiken ausschließen, sondern Risiken erkennen und sie bewusst eingehen. Und natürlich haben wir auch für sFrauenticket Klagen bekommen und es gibt arme Kollegen, die sich damit jetzt beschäftigen müssen. Aber in Summe war es das wert.
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