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Planet Storytelling: Österreich
Planet Storytelling 24. November 2022

Planet Storytelling: Österreich

Steile Pisten, schneebedeckte Berge und malerische Gebirgspfade – Österreich ist beliebt bei Ski-Fans und Wanderlustigen. Doch kann Deutschlands kleiner Nachbar durch mehr als schöne Berglandschaften überzeugen? In unserem neuen Blogpost der Reihe Planet Storytelling reisen wir mit euch an außergewöhnliche Orte, treffen hartnäckige Kämpfer:innen und begeben uns in die unheimlichen Tiefen der Wiener Kanalisation.

Planet Storytelling Österreich - ein Roadtrip durch die Berge
Österreich ist voller unbekannter Orte und spannender Geschichten // ©Unsplash

Ein „Riesen“ Unterfangen

Im Norden Österreichs befindet sich der Bergisel, der vor allem bei Skisprung-Fans für leuchtende Augen sorgen dürfte. Nicht weit entfernt von dem turbulenten Sporttreiben, liegt am Fuß des Gipfels die Sillschlucht. Mit ihrem türkisblauen Wasser und den sattgrünen Wäldern ist sie ein kleines Naturwunder und bietet die perfekte Umgebung für das anliegende Stift Wilten. Es ist das älteste Kloster Tirols und soll vor über 1.000 Jahren von dem Riesen Haymon erbaut worden sein. Der Sage nach tötete er den Giganten Thyrsus in einem Zweikampf und war fortan von Schuldgefühlen geplagt. Reumütig beschloss Haymon, ein Kloster am Eingang der Schlucht zu erbauen und von nun an ein gottesfürchtiges Leben zu führen.

Doch das Gebäude wurde von dem Drachen, der dort lebte, immer wieder zerstört. Mit dem festen Willen, das Stift fertigzustellen, bekämpfte Haymon auch das Ungeheuer und schnitt ihm die Zunge heraus. Bis zu seinem Tod lebte der Riese in dem Konvent. Seine Gebeine mitsamt der abgetrennten Drachenzunge sollen der Legende nach unter dem Hochaltar der Stiftskirche begraben worden sein.

Heute dient sie als spirituelles Zentrum und beherbergt eine Bibliothek sowie ein Archiv, in denen das Wissen und die Erzählungen aus den letzten Jahrhunderten Österreichs verwahrt werden. Hier können die Gäste die Legende um den Riesen Haymon selbst nachlesen. Das Buch, das von dem Geschichtenschreiber Mathias Burglecher im 17. Jahrhundert geschrieben wurde, steht Interessierten sogar virtuell zur Verfügung. Auch in dem ansässigen Museum kann die Vergangenheit des Klosterbaus mit eigenen Augen erlebt werden. Begrüßt werden die Besucher:innen dabei natürlich von den beiden Riesen: Ihre Statuen befinden sich direkt am Eingang des Stifts – Haymon auf der linken und Thyrsus auf der rechten Seite.

Das Goldene Dachl in Innsbruck
Das Goldene Dachl in Innsbruck // ©Unsplash

Glänzende Aussichten in Tirol

Unweit des Bergisel liegt im Tal die Tiroler Hauptstadt Innsbruck mit ihrer historischen Altstadt im Zentrum. Sie versprüht einen mittelalterlichen Charme und lädt zum Verweilen ein. Hier befindet sich auch ein glänzendes Wahrzeichen: das Goldene Dachl. Es lockt Reisende aus aller Welt nach Österreich und die Einheimischen berichten gerne, wie es zu dem Bau des Prunk-Anbaus kam. Der Herzog Friedrich ließ es dem Volksmund nach erbauen, um der spöttischen Aristokratie seiner Zeit zu trotzen. Diese machte sich über Friedrichs mangelnden Wohlstand lustig und gab ihm den Namen „Friedel mit den leeren Taschen“. Doch der Herzog lebte sparsam und häufte tatsächlich ein Vermögen an: So ließ er den vergoldeten Erker angeblich nur errichten, um den Adel zu beschämen.

Mittlerweile fanden Historiker zwar heraus, dass das Dach während der Regentschaft von Kaiser Maximilian I. erbaut wurde und die Geschichte um den armen Friedel eine Fehlmeinung ist. Unter den Innsbruckern hält sie sich dennoch hartnäckig und wird daher weiter von den Einheimischen an die Besucher:innen weitergetragen. Der Beliebtheit des funkelnden Baus schadet es nicht.

Der Gosausee im Salzkammergut
Der Gosausee im Salzkammergut // ©Unsplash

Die schwarzen Fische im Salzkammergut

Eine malerische Kulisse erwartet die Pilgernden des Gosautales im Dachstein-Salzkammergut, das heute zum UNESCO-Welterbe gehört. Hier, am Fuß des Dachsteins, hat wohl seinerzeit schon Alexander von Humboldt gestanden. Vom sich bietenden Anblick überwältigt, soll er die Aussicht als „das Auge Gottes“ beschrieben haben. Wer weiß, vielleicht wachte tatsächlich einst ein himmlischer Schutzgeist über diesem idyllischen Ort?

Denn eine passende Geschichte führt in den Westen des Landes an den hinteren der zwei Gosauseen: Einem Mythos zufolge befanden sich Anfang des 18. Jahrhunderts evangelische Christen auf der Flucht vor der französischen Armee Napoleons. Die Nachbargemeinde im Ennstal bot ihnen ein sicheres Versteck, doch der einzige Weg verlief über den zugefrorenen Gosausee. Ein Verräter unter den Flüchtigen brachte die Verfolger auf ihre Spur und so galoppierten die dunkel gekleideten Reiter der kaiserlichen Armee den Protestanten hinterher.

Während die Gejagten allerdings das sichere Ufer längst erreicht hatten, brach die Eisdecke unter dem Gewicht der Menschen und Pferde ein und zog die Jäger in die Tiefen des Sees. Dort sollen sie in kleine schwarze Fische verwandelt worden sein und noch heute berichten Wanderer, sie manchmal an der Oberfläche des Sees schwimmen gesehen zu haben. Doch nicht nur „Augenzeugen“ halten den Mythos der kleinen Bewohner vom Gosausee aufrecht. Jedes österreichische Kind kennt die Geschichte, die sogar in der Schule als fester Bestandteil des Unterrichts an die Kleinsten weitergegeben wird.

Die schwarzen Fische vom Gosausee
Die schwarzen Fische vom Gosausee // ©Unsplash

Der steirische Kampfgeist

Sie wird das grüne Herz Österreichs genannt und ist bekannt für die abwechslungsreichen Naturlandschaften, den hervorragenden Wein sowie ihre typisch-steirischen Schmankerl: die Steiermark. Zahlreiche Burgen und Burgruinen finden sich in dem Gebiet. Etwa eine Stunde südlich von der Gemeinschaft Frohnleiten entfernt, befand sich einst auf einem Berg die prachtvolle Feste Pfannberg. Als die Burgherren Bernhard und Heinrich von Pfannberg im Jahr 1269 zu Unrecht des Verrats am Herzog der Steiermark beschuldigt und festgenommen wurden, entbrannte ein erbitterter Kampf um die Burg. Doch Bernhards Frau Agnes war fest entschlossen, ihr Zuhause zu verteidigen. So schaffte sie es, die ersten Angriffe erfolgreich abzuwehren.

Leider war das Glück auf der Seite der Angreifenden: Durch einen Zufall fanden sie einen Geheimgang, der direkt ins Innere der Festung führte, und in der Nacht erstürmten sie die Burg. Noch immer kriegsbereit, überzeugte Agnes auch die letzte noch verbliebene Anhängerschaft standzuhalten und bewaffnete sich mit Schild und Schwert. Obwohl die Burgherrin erbarmungslos kämpfte und viele der Feinde tötete, verlor sie die Schlacht. Die böhmischen Soldaten töteten Agnes, nahmen die Burg ein und steckten sie in Brand. Doch Agnes‘ Leichnam war verschwunden.

Zwei Überlebende und treue Anhänger der Herrin schlichen sich nach ihrer erfolgreichen Flucht zurück in die Festung und trugen sie fort. Wohin sie, sie brachten, ist nicht bekannt. Heute erinnern nur noch ein Turm und die verfallene Kapelle an das herrliche Bollwerk, das hier vor fast 1.000 Jahren stand. Abenteuerlustige können die Überreste auf eigene Gefahr erkunden, doch sollten sie vorsichtig sein. Jedes Jahr im Juni kehrt die geisterhafte Gestalt von Agnes von Pfannberg während einer Vollmondnacht zurück und wandert in den Überbleibseln des Kastells umher – auf der Suche nach Feinden und Eindringlingen.

Die Wiener Kanalisation
Der Wiener Untergrund: Nichts für Angsthasen // ©Unsplash

Was riecht hier so? Die Wiener Kanalisation

Musik, Sachertorte und beeindruckende Schlösser – Wien ist ein Fest der Sinne und mit seinen unzähligen Schlössern und Palais eine wahre Augenweide. Auch abseits der beliebten Wahrzeichen hat die Hauptstadt Österreichs einiges zu bieten. Denn was viele Besuchende nicht wissen: Die Metropole besitzt ein hochkomplexes und dichtes Netz aus Bauten im Untergrund. Bis zu 15 Meter tief unter der Erde verbirgt sich die Wiener Kanalisation mit ihren Katakomben und Kapellen sowie unterirdischen Gräbern und Gemäuern. Um das Jahr 1940 herum sollen hier bis zu 100 Menschen, darunter Ausgestoßene, Flüchtlinge und Kriminelle, gelebt haben.

Besonders unter der Wiener Jugend hält sich die urbane Legende hartnäckig. Danach haben die „Kanalmenschen“ über mehrere Generationen hinweg in den geheimen Gängen gelebt und sich von Müll, Ratten oder Diebesgut ernährt. Da sie das Tageslicht mieden, gibt es keine Person oberhalb der Erde, die ihre Existenz bestätigen kann. Allerdings hat die unterirdisch lebende Bevölkerung ihre Spuren hinterlassen. So wurden Feuerstellen und Malereien an den Kanalwänden entdeckt. Wiener:innen berichteten zudem, dass sie in der Nacht Stimmen und Lieder aus den Kanaldeckeln hören konnten. Wer mutig genug ist, kann sich einer Führung durch die Wiener Unterwelt anschließen und selbst nach den „Kanalmenschen“ suchen. Einen unangenehmen Geruch muss man bei der Erkundung der Kanalisation allerdings in Kauf nehmen.

Mit diesem schaurig schönen Abenteuer endet unsere Reise durch Österreich. Fernab der beliebten Hotspots haben wir ein traditionsreiches Land kennengelernt, das weit mehr als ein Ski-Paradies und voller Geschichten und Mythen ist. Dabei haben wir noch längst nicht alles erfahren. Ein Grund mehr, wiederzukommen. Also verzichten wir auf ein Lebewohl und sagen stattdessen auf Wiedersehen! Oder auf österreichisch: Pfiat di! Schaut doch in der Zwischenzeit auch mal bei Österreichs großem Bruder Deutschland oder dem Nachbarland Schweiz vorbei!



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