Das Handwerk: Employer Branding für eine ganze Branche
Es ist Mitte Februar, das Thermometer kratzt gerade noch an den Minusgraden und zu allem Überfluss fällt auf einmal die Heizung aus. Selbst als emanzipierte Frau bekäme ich nun trotz klirrender Kälte im Wohnzimmer Schweißtropfen auf der Stirn, wenn ich nur daran denke, wann der Monteur meines Vertrauens (oder irgendein Monteur in Berlin!) wohl den frühestmöglichen freien Termin anzubieten hat.
Doch auch aus der Perspektive der Handwerksbetriebe sieht die aktuelle Lage nicht rosig aus: Lieferengpässe, Preiserhöhungen, unsichere Märkte und nicht zuletzt immer wieder neue bürokratische Anforderungen erschweren ihnen die tägliche Arbeit. Noch dazu fehlen Tausende Fachkräfte und die Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt.
Dabei ist das Handwerk so wichtig: Bei den Themen Klimaschutz, Digitalisierung, Mobilitätswende, Modernisierung der Infrastruktur oder im Wohnungsbau kommen wir ohne qualifizierte Arbeitskräfte nicht voran. Für junge Menschen heißt das vor allem, dass eine Ausbildung im Handwerk eine sichere Zukunft quasi garantiert. Und dennoch mangelt es an Nachwuchstalenten für die über 130 Handwerksberufe. Liegt’s vielleicht am schlechten Image?
Schlecht bezahlt, männerdominiert und altbacken
Zugegeben, das Ansehen der Branche ist nicht gerade das Beste. Zu Unrecht, wie der Deutsche Handwerkskammertag e.V. eindrucksvoll aufzeigt:
Denn…
- 363.000 junge Menschen lernen gerade ein Handwerk – das sind ca. 28 Prozent aller Auszubildenden. Es kommen jedes Jahr rund 140.000 neue hinzu.
- Das Handwerk macht glücklich! 91 Prozent der Beschäftigten sind stolz auf ihren Beruf und ihre Leistung, bestätigt eine Studie der Universität Göttingen.
- Von wegen männerdominiert! Jeder vierte Handwerksbetrieb wird von einer Unternehmerin gegründet. Und jede Fünfte im Handwerk macht ihren Meister. Umso wichtiger also, Frauen auch bei der Angestelltensuche direkt anzusprechen. Welche Besonderheiten es da gibt, zeigen wir in unserem Beitrag über Female Employer Branding.
- Ein Meistertitel ist einem Bachelorabschluss gleichzusetzen. Im direkten Vergleich liegen Handwerksmeister:innen mit einem Verdienst von durchschnittlich 1,9 Millionen Euro im Leben gleichauf mit dem Lebenseinkommen von Akademiker:innen.
Wie kommen wir denn nun an die jungen Talente? Oder: Employer Branding macht Arbeitgeber attraktiv
Der Begriff Employer Branding beschreibt die Bemühungen eines Unternehmens, eine positive und attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen, um talentierte Mitarbeitende anzuziehen, zu halten und zu motivieren. Hierbei wird das Image als potenzieller Vorgesetzter strategisch modelliert. Welche Maßnahmen verkörpern die eigenen Werte am besten? Was macht das Unternehmen für neue Mitarbeitende attraktiv? Wofür steht der Betrieb? Fragen über Fragen, doch keine Sorge: Einen guten Einstieg in das Thema bietet zum Beispiel unser Workshop, in dem Unternehmenswerte und Vision erarbeitet werden können.
Ein erfolgreiches Employer Branding schafft ein positives Arbeitsumfeld, fördert die Unternehmenskultur und hebt die Alleinstellungsmerkmale hervor, die den Betrieb als Arbeitgeber besonders attraktiv machen.
Hier sind 10 Wege, um Storytelling ins Employer Branding einzubinden.
„Handwerk neu denken“: So sollen die Ausbildungsberufe wieder attraktiver werden
In ihrer 2023 gestarteten Kampagne hat es sich die Handwerkskammer zum Ziel gesetzt, Ausbildungsberufe in ihrer Branche wieder attraktiver zu machen. Unter dem Motto „Handwerk neu denken“ zeigen sie, wie vielfältig, spannend und erfüllend eine Tätigkeit in dieser Branche ist. Und das mit Erfolg, wie wir finden!
5 Dinge, die sich Betriebe von der Handwerkskammer abschauen können:
1. Mit Vorurteilen aufräumen: Die Hauptakteur:innen der aktuellen Kampagne sind 16 Handwerker:innen aus dem „echten Leben“. Mit ihren persönlichen Erfolgsgeschichten bieten sie Einblicke in ihren Arbeitsalltag und räumen mit einem Augenzwinkern konsequent mit Stereotypen auf.
2. Storys zeigen, die berühren: Auf der Seite Berufsinsider finden sich unzählige Testimonial Storys, wie die von Marcus Ostendorf. Sie zeigen den Arbeitsalltag in verschiedenen Gewerken und werfen einen authentischen Blick hinter die Kulissen.
3. Medien und Themen am Puls der Zeit nutzen: Dass das Handwerk vielfältig und ganz sicher nicht verstaubt ist, zeigt die Kampagne zudem eindrucksvoll mit ihrem Podcast „Wer macht Morgen?“ Moderatorin Anna Planken diskutiert in jeder Folge relevante Fragen, die die jungen Talente von morgen erreichen, wie beispielsweise „Werkbank oder Hörsaal? Am besten beides!“.
Auch die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind essenzieller Bestandteil der neuen Kampagne. Zurecht, denn genau das beschäftigt die Nachwuchsgeneration Arbeitnehmer:innen. Die Initiative beschreibt es sehr treffend: Volle Fahrt geht nur mit uns.
4. Ansprechende Karriereseiten aufsetzen: Ausbildungsinhalte, Vergütung und exklusive Einblicke werden neben allen weiteren wichtigen Eckdaten für die einzelnen Gewerke anschaulich dargestellt. Auch Tipps, wie der Start in eine erfolgreiche Karriere nach der Ausbildung weitergeht, hat die Institution zusammengetragen.
Wer bei über 130 Berufen den Überblick verliert und gar nicht so richtig weiß, welcher Job es werden soll, macht am besten diesen Test oder lässt sich vom eigens eingerichteten Chatbot beraten. Meine Top-Handwerksberufe sind übrigens Änderungsschneiderin, Goldschmiedin und Modistin. Wenn es mit der PR also nichts mehr ist, findet man mich vielleicht bald in einer Goldschmiede-Werkstatt.
Wir haben ein paar spannende Beispiele für gelungenes Storytelling auf Jobseiten zusammenstellt.
5. Als Mentor:in agieren: Neben unzähligen Berichten, transparenten Aufgaben- und Gehaltsbeschreibungen sowie kurzweiligen Berufstests, hat der Verein auch eine Beratungsstelle für Auszubildende und Interessierte eingerichtet. Hier werden Fragesteller:innen direkt mit der für sie zuständigen Handwerkskammer verbunden. Auch bietet die Seite einen Guide für das Erstellen der Bewerbungsmappe und hilfreiche Tipps für einen gelungenen ersten Eindruck. Das gibt potentiellen Azubis ein Gefühl der Sicherheit und kann sie in ihrer Entscheidung, sich für einen Beruf im Handwerk zu entscheiden, bestärken.
Wie erfolgreiches Employer Branding aussehen kann, zeigen zum Beispiel Strabag oder Henkel.
Fazit: Hand in Hand für eine erfolgreiche Zukunft
Das Handwerk steht vor vielfältigen Herausforderungen, von Lieferengpässen bis zu unsicheren Märkten und nicht zuletzt dem Fachkräftemangel. Ein Schlüsselelement, um letzterem entgegenzuwirken, findet sich im Employer Branding. Eine erfolgreiche Strategie betont die Unternehmenskultur, bietet Karrieremöglichkeiten und zeigt ein attraktives Arbeitsumfeld. Doch sind einige Schritte besonders für kleine Betriebe nur schwierig umzusetzen – mit dem in die Jahre gekommenen Ansehen der Branche aufzuräumen, ist gar unmöglich.
Hier setzt die Kampagne der Handwerkskammer an. Durch gezielte und gut durchdachte Maßnahmen macht sie das Berufsfeld attraktiver, klärt auf, schafft Perspektive und bietet für angehende Auszubildende ein Rundum-sorglos-Paket. So können Handwerksbetriebe nicht nur ihre aktuellen Herausforderungen meistern, sondern auch eine nachhaltige Zukunft für die gesamte Branche gestalten.
Wollt ihr wissen, wie Employer Branding bereits in der Baubranche funktioniert? Werft einen Blick in unseren Storytelling-Report 2023
Share this article
Related articles
27. September 2024
Storytelling auf der politischen Bühne: Kamala Harris und die Macht der persönlichen Erzählung
Read More25. September 2024