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Storytelling für NGOs: Bilder, die bewegen
Brands Politik, NGOs & Kultur 23. September 2025

Storytelling für NGOs: Bilder, die bewegen

Zahlen beeindrucken, aber sie bleiben selten im Kopf. Was uns im Gedächtnis begleitet, sind Szenen. Ein Mädchen, das seiner Großmutter die erste Tasse sauberes Wasser reicht. Ein Schleier, der Kinderaugen verhüllt. Ein kleiner Frosch, der im Supermarkt den Weg weist. Ein Strichmännchen, das vergeblich nach einer Pille springt.

Storytelling für NGOs: Bilder, die bewegen

Warum wirken solche Bilder stärker als jede Statistik? Weil sie uns in eine Geschichte hineinziehen. Wir fühlen mit, wir erinnern uns, wir begreifen. NGOs bewegen sich in einem Spannungsfeld: Sie arbeiten an großen, oft abstrakten Themen wie Armut, Krankheit, Klimakrise oder Ungerechtigkeit. Doch nur wenn diese Dimensionen erzählbar werden, entsteht Nähe. Genau darin liegt die Kraft des Storytellings.

WaterAid: Die Kraft der ersten Tasse

Im Kampagnenfilm „First Cup“ von WaterAid hören wir zu Beginn die Stimme einer Frau, die über den Dorfplatz hallt: „We used to have dirty water that made us sick. Today we have clean water.“ Noch bevor Musik einsetzt, liegt in diesen Worten eine Schwere, die alles innehalten lässt. Dann bricht Jubel aus. Kinder springen, Erwachsene tanzen, es ist ein Moment des kollektiven Aufatmens.

Mitten in dieser Feier bewegt sich Lucia. Sie läuft zum Brunnen, füllt einen Becher, blickt in die klare Oberfläche und sieht ihr eigenes Spiegelbild. Ein Bild, das mehr erzählt als jede Zahl: In diesem Wasser spiegelt sich eine Zukunft ohne Krankheit und ohne den täglichen Marsch zur Wasserstelle. Lucia reicht den Becher ihrer Großmutter. „I wanted you to be the first to have clean water“, sagt sie leise, legt den Kopf an ihre Schulter. Ein Satz, schlicht und doch voller Gewicht.

Die Erzählung gewinnt ihre Stärke nicht nur durch dieses Symbol, sondern auch durch die Art ihrer Entstehung. WaterAid hat den Film gemeinsam mit der Community in Zomba entwickelt, Workshops abgehalten, lokales Casting organisiert und die Premiere vor Ort gefeiert. So wurde aus einer Kampagne kein Blick von außen, sondern eine Geschichte, die aus dem Inneren heraus erzählt wird. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Storytelling die Würde bewahren und zugleich eine universelle Botschaft vermitteln kann.

CBM: Ein Leben mit eigenen Augen

Die Christoffel-Blindenmission geht einen völlig anderen Weg. Ihr Spot „Wir öffnen Augen“ beginnt mit einer ruhigen Stimme, die Erinnerungen beschwört: den Himmel, die Sonne, die Wolken, die Nacht. Vertraute Bilder, die wir alle kennen. Während wir zuhören, verändert sich die Szene. Aus dem Gesicht einer alten Frau wird das einer Erwachsenen, dann das eines Kindes. Auch die Stimme klingt mit jeder Verwandlung jünger, bis sie am Ende fast zerbrechlich wirkt. Schließlich legt sich ein weißer Schleier über die Kinderaugen und macht sichtbar, was verloren zu gehen droht: die Möglichkeit, die Welt zu sehen.

Die Inszenierung bleibt zurückhaltend, fast poetisch. Keine dramatischen Schnitte, keine Schockbilder. Stattdessen liegt der Fokus auf der Würde der Erfahrung. Am Ende steht eine Einladung, die ebenso klar wie eindrücklich ist: „Schenken Sie Menschen ein Leben, auf das er mit eigenen Augen zurückblicken kann.“

Es ist beeindruckend zu sehen, wie konsequent CBM auf Reduktion setzt. In einer Medienlandschaft, die oft auf laute Appelle und Dramatik vertraut, entfaltet gerade die gewählte Stille besondere Wirkung. Dadurch wirkt der Spot umso kraftvoller. Er zeigt nicht Opfer, sondern eröffnet Möglichkeiten. Er gibt den Betroffenen nicht nur Sicht zurück, sondern auch Selbstbestimmung.

Rainforest Alliance: Wie hilft Humor gegen Ohnmacht?

Die Rainforest Alliance beweist, dass NGO-Storytelling auch leichtfüßig sein kann. Der Clip „Follow the Frog“ beginnt mit einem vertrauten Gefühl: dem schlechten Gewissen, nicht genug für den Regenwald zu tun. Statt uns mit erhobenem Zeigefinger zu belehren, treibt die Geschichte dieses Gefühl ins Absurde. Ein Mann gibt alles auf, zieht in den Dschungel, kämpft, scheitert – bis am Ende die befreiende Pointe folgt. Niemand muss Heldentaten vollbringen. Es reicht, im Supermarkt nach dem Frosch-Siegel zu greifen.

Die Kampagne überzeugt durch Mut. Humor ist selten in NGO-Kommunikation , doch er funktioniert. Er nimmt Schwere, senkt Widerstände und verwandelt Ohnmacht in eine konkrete Handlung. Vor allem erinnert sie daran, dass selbst ernste Anliegen Leichtigkeit vertragen dürfen.

Aktionsbündnis gegen AIDS: Storytelling im Zeitraffer

Das Aktionsbündnis gegen AIDS wählt eine bildstarke, fast performative Form fürs Storytelling. In der Kampagne „Kinder ohne Aids – Medikamente und Tests für alle!“ verwandeln Jugendliche eine kahle Wand in eine Bühne der Hoffnung. Die Sonne wandert über die Mauer, Bäume werfen ihre Schatten, und der Malprozess selbst wird Teil der Erzählung. Im Zeitraffer entsteht eine Pille, darunter ein Strichmännchen, das erwartungsvoll nach ihr springt. 

Doch dann kippt die Szene: Das Bild wird übermalt, eine Wiese voller Pillen erscheint, jede versehen mit einem Preisschild. Schließlich taucht eine Ärztin auf, umringt von Menschen in Sorge, bevor die Wand ganz schwarz überzogen wird. Auf dieser Fläche erscheinen im Zeitraffer die harten Fakten: Millionen Kinder sind von HIV betroffen, doch die meisten erhalten keine Behandlung.

Es ist beeindruckend zu sehen, wie kraftvoll diese Symbolik ist. Die Jugendlichen erzählen nicht von Einzelschicksalen, sondern von Strukturen, die Hoffnung zunichte machen: hohe Preise, starre Patente, ungleicher Zugang. Genau darin liegt die Stärke dieses Storytellings. Es verbindet Emotion mit Kritik, macht das Unsichtbare sichtbar und erinnert daran, dass es nicht nur um einzelne Kinder geht, sondern um ein System, das dringend verändert werden muss.

Was bleibt bei Storytelling für NGO im Gedächtnis? 

Vier NGOs, vier unterschiedliche Stimmen und doch eine gemeinsame Wahrheit. Geschichten wirken stärker als Zahlen. Sie übersetzen Komplexität in Bilder, die wir verstehen. Sie wahren die Würde der Menschen, deren Leben sie berühren. Und sie öffnen Wege zum Handeln, statt uns in Ohnmacht zurückzulassen.

Oft sind es die einfachsten Bilder, die am stärksten wirken. Eine Tasse Wasser. Ein Schleier vor den Augen. Ein Frosch im Regal. Ein Sprung, der nicht gelingt. Vielleicht ist das die Essenz von NGO-Storytelling. Es verwandelt Abstraktion in Erfahrung. Und manchmal genügt ein einziges Bild, um eine ganze Bewegung zu beginnen.

Erfolgreiches Storytelling für NGOs

Unsere Expertentipps:

  • Mach Komplexes greifbar – mit klaren, starken Bildern, die im Alltag verankert sind.
  • Setze auf echte Emotionen statt trockener Zahlen – nur Erlebtes bleibt im Gedächtnis.
  • Hol deine Community mit ins Boot – Authentizität entsteht, wenn Menschen ihre eigenen Geschichten erzählen.
  • Zeige nicht nur Einzelschicksale, sondern verknüpfe sie mit den größeren Systemen dahinter.
  • Sei mutig und spiel mit Formen: Minimalismus, Humor oder kreative Performance machen Botschaften unvergesslich.
  • Wer wirklich bewegen will, braucht keine lauten Worte, sondern Geschichten, die berühren und zum Zuhören einladen.


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