Mitarbeitende sind die besten Erzähler und Erzählerinnen, wenn es um authentisches Employer Branding geht. Doch wie stellen sich Unternehmen in Deutschland ihre Mitarbeitenden eigentlich vor?
Mitarbeitende sind die besten Erzähler und Erzählerinnen, wenn es um authentisches Employer Branding geht. Doch wie stellen sich Unternehmen in Deutschland ihre Mitarbeitenden eigentlich vor?
Im letzten Jahr untersuchten wir, wie erfolgreich die DAX 30 auf Storytelling und damit authentisches Employer Branding setzen. Was beim Blick auf die Karriereseiten jedoch besonders auffiel: Frauen schienen meist jung, lächelnd und selten in hohen Positionen dargestellt zu werden. Während ältere Männer erklärten, sah man auffällig viele Frauen beim Thema Work-Life-Balance. Ein subjektiver erster Eindruck? Um diese Gender-Verteilung und speziell das Bild von Frauen auf den Karriereseiten objektiv zu betrachten, analysiert der Visuelle Storytelling Report, wie die 30 DAX-Unternehmen Mitarbeitende auf den Jobseiten bildlich darstellen. Die Ergebnisse verdeutlichen, warum solche Analysen auch 2020 noch immer notwendig sind.
Gerade die DAX 30 stehen verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit und sollten so auch für andere Unternehmen eine Vorbildfunktion einnehmen. Das dies nötig ist, zeigt der Vergleich der Quoten- und der Nicht-Quotenunternehmen: Während erstere zu über 35 Prozent den Frauenanteil über die 10-Prozent-Marke steigern wollen, trifft dies nur auf jedes fünfte Unternehmen letzterer zu. Zahlreiche der börsennotierten oder mitbestimmten Firmen planen dabei weiterhin mit der Zielgröße Null. Frauen scheinen dort nicht in den Vorstand zu gehören. Welche Mitarbeitenden stellen sich die DAX 30 also für ihre Zukunft vor? Und werden diese auch zielgruppengerecht angesprochen?
Die Karriereseite ist das Herz der Arbeitgebermarke. Alle Fäden des Employer Brandings verknüpfen sich hier zu einem gemeinsamen Image und fassen die gelebte Unternehmenskultur, zentrale Werte und Visionen zusammen. Um potentielle und bestehende Mitarbeitende auch emotional anzusprechen und langfristig für eine Marke zu gewinnen, lassen Firmen ihr Team am besten selbst sprechen. Doch wie stellen Konzerne in Deutschland sich diese Erzählerinnen und Erzähler und damit ihre zukünftige Belegschaft eigentlich vor? Auch die Karriereseiten der DAX 30 sind voll von Mitarbeiterstorys und überall lächeln potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern glückliche Teams entgegen. Sie sollen sich mit den Geschichten identifizieren können, um so ein authentisches Bild des Arbeitsgebers zu gewinnen. Ob sie sich jedoch wirklich auf den Karriereseiten wiederfinden, hängt entscheidend von der Bildsprache ab. Corporate Identity in Bild und Video sind hier nicht alles. Welche Menschen wie gezeigt werden, sollte eine bewusste Entscheidung sein.
Der Visuelle Storytelling Report nimmt die auf den Karriereseiten der DAX 30 dargestellten Personen unter die Lupe. Spielen hier Geschlechterrollen, Alter oder Schönheitsideale eine Rolle? Wer nimmt Führungspositionen ein? Wo wird gearbeitet und wer genießt die Work-Life-Balance? Der Report analysiert, wie Führungskräfte und Professionals, BerufseinsteigerInnen und Trainees, Studierende, Auszubildende und PraktikantInnen auf den Jobseiten der Großkonzerne Deutschlands dargestellt werden.
Analysegrundlage des Visuellen Storytelling Report waren die vorwiegend deutschen Karriereseiten der DAX 30 Unternehmen (Stand 15.03.2020). Es wurden jeweils die Unterseiten zu den aufgeführten Berufsgruppen PraktikantInnen und SchülerInnen, Auszubildende, Studierende, BerufseinsteigerInnen und Berufserfahrene betrachtet. Die abgebildeten Menschen auf den Fotos dieser jeweiligen Unterseiten wurden anhand der folgenden Punkte analysiert.
Es wurde festgestellt, ob die Personen auf den Bildern männlich oder weiblich sind. Bei nicht eindeutiger Zuordnung wurde dies ebenfalls vermerkt.
Bei diesem Kriterium wurde der Gesichtsausdruck analysiert und angegeben, ob die gezeigte Person auf dem Foto lächelt oder nicht.
In dieser Rubrik wurde notiert, ob die Person alleine auf dem Foto zu sehen ist oder ob mehrere Menschen zu sehen sind.
Für eine einheitliche Alterskategorisierung wurden vier Bereiche eingeteilt. 15-20 Jahre, 21-35 Jahre, 36-50 Jahre und über 50 Jahre. Da das Alter nur subjektiv eingeschätzt werden konnte, kann es bei diesen Angaben Abweichungen geben.
Bei dem Kriterium Aktivität wurde analysiert, ob die Menschen auf den Bildern aktiv arbeiten, sprechen oder jemandem etwas zeigen und erklären oder ob sie passiv zuhören, sich etwas anschauen oder erklärt bekommen. Bei „Aktivität“ wurde bei der Aktion ermittelt, ob die Person auf dem Foto arbeitend oder in einem freizeitlichen, privaten Umfeld gezeigt wird.
Weiterer Analysebestand war die Statur der abgebildeten Personen. Hierbei wurde zwischen schlank und korpulent unterschieden. Dieser Aspekt kann ebenfalls subjektive Unterschiede aufweisen, es ging jedoch ganz objektiv um den sichtbaren Körperbau.
Gleichberechtigung ist nicht allein durch Quoten zu erzielen. Sie beginnt schon im Gesicht. Frauen haben oft das Gefühl, lächeln zu müssen, um netter zu wirken und keine Attribute wie steif, unnahbar oder sogar arrogant zugewiesen zu bekommen. Schon in der Kindheit, aber auch im Erwachsenenalter, hören Frauen die Aufforderung zu lächeln – um sympathischer auszusehen – mitunter auch von fremden Menschen. Diese Tatsache hat erhebliche Folgen, wie die Psychologie-Professorin und Lächel-Forscherin der Universität Yale, Marianne La France, in einem Interview erklärt: „Lächeln passiert oft so automatisch, dass es gar keine Gefühle mehr ausdrückt, sondern nur noch für andere gemacht wird. Das kann dazu führen, dass man nicht mehr ernst genommen wird. Wenn Frauen immer lächeln, dann ruft das beim Gegenüber das Gefühl hervor, dass sie angenehm und fröhlich sind, aber nicht unbedingt auch kompetent.“ Männer hören solch einen Satz dagegen nur wesentlich seltener, wie die Ergebnisse einer Studie von YouGov aus dem Jahr 2019 zeigen.[1]
[1] YouGov https://yougov.co.uk/topics/politics/survey-results/daily/2019/03/19/0c33b/3
Nach erfolgreichem Schulabschluss gibt es für junge Menschen, die eine berufliche Karriere bei einem der 30 größten börsennotierten Firmen Deutschlands beginnen möchten, zwei Möglichkeiten – eine Ausbildung oder ein Studium, das vom Unternehmen dual begleitet wird. Gemeinsam bilden die Gruppen den Nachwuchs der Konzerne. Wie stellen sich die Verantwortlichen ihre personelle Zukunft also vor? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich in der Darstellung der Auszubildenden und Studierenden finden? Und: Welches Bild zeichnen die DAX 30 damit grundsätzlich von Ausbildung und Studium?
30 Unternehmen, 30 Karriereseiten, 1.852 Menschen – Die Ergebnisse des Visuellen Storytelling Reports im Gender-Vergleich zeigen nicht nur den Kern verschiedener Arbeitgebermarken. Sie gießen die Weltansicht Deutschlands größter Firmen im Jahr 2020 in Zahlen und belegen dabei, dass auch international agierende Konzerne, die Diversität und Gleichberechtigung in Wort und Schrift als Selbstverständlichkeit kommunizieren, in der visuellen Darstellung dieser Werte insgesamt noch Verbesserungspotenzial haben. Es sind schließlich Bilder, die den potentiellen BewerberInnen als erste Projektionsfläche dienen. Sie zeichnen den BetrachterInnen dabei unbewusst nicht nur eine Vorstellung davon, wie Auszubildende im Betrieb arbeiten oder welche Merkmale ManagerInnen haben sollten. Sie zeigen jungen Frauen, welche berufliche Laufbahn für sie bestimmt zu sein scheint. Sie zeigen Menschen, die aus anderen Ländern kommen, welche Möglichkeiten sie zu haben scheinen. Sie zeigen auch, welche Vorteile Männer noch immer in der Wirtschaft und damit auch in der Arbeitswelt haben. Es sind Bilder, die in ihrer Aussagekraft nicht weniger als die Frage beantworten, wie gleichberechtigt unsere Gesellschaft ist.
Follow Us!